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Das Cervélo S5 im Test von 4 Aero-Rennrädern mit SRAM Rival AXS-Gruppe. Schnellfahren ist die Essenz des Rennradfahrens. Und Aero-Rennräder liefern sie. Für unseren Vergleich haben wir 4 aktuelle Aero-Boliden anrollen lassen, die 2022 erstmals mit neuen Modellen mit der SRAM Rival eTap AXS Funkschaltung auftrumpfen. Hier unser Datenabgleich und Fahrerlebnis mit dem Cervélo S5.
Das Cervélo S5 ist der Klassiker in unserem Aero-Rennrad Vergleich. Die kanadische Marke prägte die Gattung Aero-Rennrad früh, und das S5 ist seit jeher das Aushängeschild für die Aero-Entwicklung. Obwohl das aktuelle Modell bereits seit drei Jahren auf dem Markt ist (hier zur Cervélo S5 Vorstellung) sieht das Rahmen-Set mit dem charakteristischen V-förmigen Vorbau noch immer geradezu futuristisch aus. Dass es auch technisch nach wie vor vorne mitfährt, zeigte sich bei uns an der Waage: mit 8,45 kg zählt es zu den leichten Bikes im Test, trotz eines eher schweren Laufradsatzes. Auch wenn Aero-Rennräder per se alles andere als günstig sind, liegt das Cervélo S5 mit 6.399 € deutlich im oberen Bereich des Segmentes. Und billiger wirds nicht. Das nächste Modell in der Preisrange kommt mit SRAM Force eTap AXS 2×12-Gruppe für 8.999 €. Die beiden Top-Modelle mit Dura Ace Di2 oder SRAM Red eTap AXS kosten fast 12.000 €.
So schnell wie das S5 sieht kein anderes Aero-Rennrad in unserem Test im Stand aus. Keine Stelle am S5 wirkt, als hätte sie nicht der Windtunnel geformt, jede noch so kleine Biegung sieht berechnet aus. Das Unterrohr weitet sich für die Flasche zum Tretlager hin. Das zweite Trinkflaschenhalter-Ösenpaar ist weit unten angesetzt, ebenfalls aerodynamisch günstig.
Das Carbon am Tretlager umhüllt eindeutig das größte Volumen im Test. Drinnen sorgt übrigens ein CeramicSpeed-Innenlager für reibungsarmen Lauf. Noch so ein kleiner Gewinn. Das Sitzrohr folgt der Kontur des Reifens. Und wo es den Reifen verlässt, sieht es aus wie ein Jet-Heck.
Die spezielle Gabel des Cervélo S5 ist natürlich das Highlight. Sie ist ein durchgehendes Bauteil und sitzt vor dem Steuerrohr. Auf ihr dockt direkt der Vorbau an. Die Konstruktion macht es möglich, die Leitungen vollkommen verdeckt und in vorteilhaften Radien zu verlegen, hat aber auch Nachteile – siehe Anpassung.
Insgesamt wirkt die Verarbeitung des Rahmensets hochwertig. Alle Austritts-Öffnungen sind satt mit Gummmikappen abgedeckt. Die Sattelklemmung ist auch mit Mini-Tool gut erreichbar, die Skala zur Einstellung vorbildlich ablesbar und haltbar.
Einen Hauch von Glanzlack trägt das Cervélo S5 auf dem Oberrohr und vorne an der Gabel. Dort ist die Schrift auch überlackiert. Dagegen besteht der große Schriftzug auf dem Unterrohr aus Aufklebern. Wer es (noch) dezenter mag, kann ihn also entfernen.
Ein Wermutstropfen am Testrad ist der serienmäßige Laufradsatz. Als einziges Aero-Rennrad im Testfeld kommt das Cervélo S5 trotz des recht hohen Preises nicht mit einem Carbon-Laufradsatz. Der DT Swiss P1800 Alu-Laufradsatz trägt mit seinen nur leicht erhöhten Felgenprofilen (32 mm) wenig zur Aerodynamik bei. Zudem ist er nicht leicht. Die DT Swiss Felge ist ausserdem mit 622-18 noch auf schmale Reifen ausgelegt. Qualitativ gibt es nichts zu kritisieren, im Gegenteil, die Naben laufen satt und leicht.
Das Testrad kam Tubeless aufgesetzt mit Vittoria Corsa-Reifen in 25-622. Das stellte sich bei den Testfahrten als echtes Plus heraus: Sie rollen leicht und vorbildlich leise, auch die Griffigkeit war rundum überzeugend.
Wie alle Bikes in unserem Aero-Rennrad-Test ist das Cervélo S5 mit der Funkschaltung SRAM Rival eTap AXS mit 2×12 Gängen ausgestattet. Sie lieferte 100 % exakte Schaltvorgänge, die schnell und sehr geräuscharm vonstattengehen, auch unter Teillast (hier findet ihr unseren ausführlichen Test der SRAM Rival eTap AXS-Schaltung). In Sachen Schaltkultur besteht aus unserer Sicht kein Grund, auf die höherwertige Force-Gruppe zu gehen, die Cervélo ebenfalls anbietet. Rund 400 g leichter wird es mit einer Shimano Ultegra Di2 12-fach Gruppe, die es auch im Modellprogramm gibt.
Als einziges Aero-Rennrad im Test hat das Cervélo S5 Disc die SRAM Rival Powermeter-Kurbel bereits an Bord. Sie bietet einseitige Leistungsmessung in der Achse, die im Vergleich von GP Lama konsistente Leistungs-Werte lieferte und mit einem anderen einseitigen Powermeter-Pedal auf Augenhöhe lag.
Zur Übersetzung: Das Cervélo in der Test-Konfiguration setzt wie das BMC eher auf Tempomachen als auf Bandbreite. Mit der Rival AXS-Kombi 48-35 zu 10-30 bietet es keinen leichten Berggang, aber dafür engere Abstufungen als Stevens und Wilier. Im typischen Aero-Rennrad Tempobereich zwischen 29 km/h und 41 km/h ist diese Abstufung passend aufgestellt. Auf dem großen Blatt fährt man ab 36 km/h mit kleinen Gangsprüngen von 7 % bis 10 %. Den Bereich zwischen 26 km/ und 34 km/h deckt man mit ähnlich kleinen Sprüngen vom kleinen Kettenblatt aus ab. So sind Kettenblatt-Wechsel nur nötig, wenn es richtig schnell wird und auch dann ist man weiterhin kleinschrittig versorgt (hier findet ihr die Übersetzung im Ritzelrechner).
Wie in der Übersicht zu unserem Aero-Rennrad-Test angemerkt, unterscheiden sich Aero-Rennräder grundsätzlich darin, wie leicht sie an die Bedürfnisse der Fahrer*innen anzupassen sind. Meist sind leider die Einschränkungen viel größer als bei gewöhnlichen Rennrädern. Das Cervélo S5 gehört zu Aero-Rennrädern, die mäßig anpassbar sind. Der Vorbau kann nicht getauscht werden, ohne Leitungen zu entfernen. Immerhin können geteilte Spacer unterfüttert werden, ohne die Leitungen zu entfernen, wenn eine aufrechtere Sitzposition gewünscht wird.
Wer ein S5 kauft, sollte seine Sitzposition bereits zu Beginn des Aufbaus beim Händler austariert haben. Und die sollte nicht zu aufrecht sein.
Wer ein S5 kauft, sollte seine Sitzposition gefunden haben. Und die sollte nicht zu aufrecht sein, denn das sieht mit dem Vorbau-Lenker-System wirklich nicht mehr schlüssig aus. Auch mit der typischen Cervélo Lenkerform muss man sich anfreunden. Es handelt sich um den flachsten Lenker im Vergleich.
Der Handauflagewinkel ist verstellbar, indem man verschiedene Schraubeinsätze einbaut. Zudem lässt sich der Lenker tauschen, ohne die Leitungen neu zu legen. Denn die liegen in einer Rille unter dem Lenker, der auf den geteilten Vorbau aufgeschraubt wird.
Cervélo gibt die Reifenfreiheit des S5 mit 30 mm an. Damit steht es im direkten Vergleich zu anderen Aero-Rennrädern gut da. Die Reifen messen auf den DT Swiss Laufrädern 26 mm. Zum Sitzrohr, das innen leicht ausgekehlt ist, bleiben dabei rund 7 mm Platz – die Verhältnisse sind nicht so eng, wie der Lichtspalt es von der Seite aussehen lässt.
Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass das Cervélo S5 mit einem sehr kurzen Radstand aufwartet. Der Abstand zwischen Vorder- und Hinterachse bleibt in allen 5 Rahmengrößen unter 1.000 mm. Das ergibt sich aus dem steilen Steuerrohrwinkel und einem mäßig vergrößerten Nachlauf der Gabel. Beides spricht für eine leichtgängige Lenkung, aber gute Spurtreue.
Zum anderen bleiben die Kettenstreben mit 405 mm quer über alle Rahmenhöhen sehr kompakt. Auch hier legt Cervélo einen Grundstein für ein agiles, wendiges Fahrverhalten.
Der STR-Wert liegt in allen Größen wie zu erwarten im sehr sportlichen Bereich. Unser Testrad in Größe 56 liegt bei 1,44. Cervélo betont, dass das Verhältnis von Stack zu Reach linear wächst und keine großen Sprünge macht. Die Kanadier versprechen somit, dass kleine Fahrer ähnlich sitzen wie große.
In Sachen gemessener Überhöhung und Abstand zum Lenker gehört das S5 auch in diesem Aero-Rennrad Vergleich zu den besonders flach ausgelegten Modellen: 11,5 cm messen wir bei Sattelhöhe 76,5 cm. Auch der schmale, kaum ausgestellte Lenker (41 cm an den Hoods) passt gut zum Tempomachen.
So sitzt man: Zunächst die Sitzposition: Sie rotiert die Fahrer*innen wegen des längeren Vorbaus etwas weiter nach vorne um das Tretlager. Die Bremsgriffe sind per Klemmschelle fixiert, können also unabhängig vom Lenker in der Neigung verstellt werden. An unserem Testrad waren sie recht tief platziert und sorgten so noch zusätzlich für eine flachere Sitzposition.
Zum Komfort. Schon beim Drücktest mit der Hand wird es offensichtlich: Die Sattelstütze kann keinen mm nachgeben. Aber der Prologo Sattel kann an den Seiten stark flexen (während das Gestell ebenfalls recht unflexibel scheint). Diese „Flügelbewegung“ reicht, um beim Fahren einen zumindest befriedigenden Komfort zu erreichen – insgesamt ist Komfort aber weitgehend Fehlanzeige an diesem Geschoss. Sowohl vorne als auch hinten schlagen schon kleine Spurrillen recht ungefiltert ins Cockpit und an den Allerwertesten durch, obwohl der Sattel mit Metallstreben kommt. Apropos Sattel: Auch der ist mit seiner schmalen Form vorne für breite Oberschenkel wie gemacht und drückt beim Einnehmen der tiefen Sitzposition nicht. Die Sattelneigungsverstellung läuft übrigens über ein Rändelrad, was schon mal nervig sein kann, wenn die Schraube mit fortschreitender Nutzung schwergängig wird.
Das Cervélo S5 lässt schon auf den ersten Metern spüren, wie stark sein Vorwärtsdrang ist. Die ersten Pedaltritte und das S5 schießt nach vorne. Kein anderes der vier verglichenen Aero-Rennräder wirkt so dynamisch. Nichts gibt auch unter dem härtesten Antritt nach. Besonders fällt das am Cockpit auf, das trotz seines filigranen Aussehens an den Hoods unnachgiebig wie eine Stahlplatte wirkt. Zum Glück hat Cervélo eine Komfortposition eingebaut: am Unterlenker: Sprich, willst du über Kopfsteinpflaster ballern, musst du in die Drops greifen.
Tempo hoch, und man merkt gar keinen Unterschied zu den Aero-Rennrädern im Test, die mit viel höheren Aero-Laufrädern anrollen und dadurch der Logik nach eigentlich einen nicht unerheblichen Aero-Vorteil genießen. Das spricht für die Qualitäten des Rahmens.
In Kurven legt das Cervélo S5 das an den Tag, was man im Englischen eine Point and Shoot Geometrie nennt. Es liegt viel Gewicht auf dem Vorderrad. Die Gabel führt das Vorderrad messerscharf um jeden Zirkel. Auch im Wiegetritt beruhigt diese Auslegung das Fahren ungemein und steuert dem Hin- und Herlegen nicht das kleinste bisschen Eigenleben bei.
Das S5 läuft ausgesprochen leise über den Asphalt, erzeugt keine Resonanzen, sogar die Reifen lassen kaum Geräusche vernehmen. Und auch den Alu-Laufrädern fehlt das typische Bollern. Apropos Reifen: Als einziges Aero-Rennrad im Test kam das Cervélo bereits tubeless ausgerüstet. Ein Fakt, der beim Rollen durchaus in der Feinfühligkeit der Reifen spürbar war und in Kurven für viel Vertrauen sorgte. Wie überhaupt der Grip der Vittoria-Reifen gut gefiel.
Das Cervélo S5 ist ein Aero-Bolide für Fortgeschrittene. Es stellt erhöhte Anforderungen an die Vertrautheit mit der Sitzposition und die äußerst agilen Fahreigenschaften kommen Kundigen entgegen. Dass es auch ohne Aero-Laufräder derart schnell unterwegs war, spricht für das Rahmenset. Volle Tempo-Entfaltung benötigt noch ein teures Laufrad-Upgrade zum ohnehin schon höheren Preis. Kein Schnäppchen, aber mit anderen Laufrädern wäre ihm der Testsieg sicher gewesen.
Was sind eure Erfahrungen mit dem Cervélo S5 – schreibt es in die Kommentare!
Testablauf
So haben wir unsere Fahreindrücke gesammelt:
JayAr
dabei seit 11/2020
Fotos Videos
arno¹
dabei seit 11/2007
Fotos Videos
solution85
dabei seit 09/2017
Fotos Videos
Timo98
dabei seit 08/2022
Fotos Videos
sepplmail
dabei seit 12/2019
Fotos Videos
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