Wohl dem, der des Spanischen mächtig ist. Bei der Netflix-Dokumentation Was geschah mit dem Delfin-König? handhabt es die Streamingplattform wieder einmal so, dass anderssprachige Tonspuren einfach direkt über das Original gelegt werden. Wer Netflix gerne auf englisch konsumiert, hat diesmal Pech gehabt: Die beiden Fassungen sind derart schlecht abgemischt, dass die gewünschte Version oft kaum zu verstehen ist. Dieser Lapsus ist vor allem deshalb irritierend, weil unter anderem auf englischsprachiges Archivmaterial zurückgegriffen wird, welches dann in anderen Versionen entsprechend untertitelt wird. Wer eine inhärente Aversion gegen deutsche Synchronisation hat, aber auch keine Untertitel lesen möchte, wird hier in den vermeintlich sauren Apfel beißen müssen, nur um festzustellen, dass die Frucht süßer ist als angenommen. Alles ist klar verständlich. Die Originalspur ist zwar noch hörbar, aber deutlich stärker heruntergeregelt. In der deutschen Fassung muss sich dafür mit falschen Formulierungen wie „meines Wissens nach“ arrangiert werden.
José Luis Barbero war Delfintrainer. Sogar einer der besten der Welt, wie wir relativ zu Beginn der Doku erfahren. Nach einer über drei Dekaden andauernden Karriere schien diese im Jahre 2015 ihren krönenden Abschluss in Atlanta, USA, zu finden, wo Barbero zum Vizepräsidenten des Georgia Aquarium berufen werden sollte. Daraus wurde jedoch nichts: Ein Video tauchte auf, das aus mehreren kurzen Clips bestand, in welchen angeblich Barbero zu sehen war, wie er nach Delfinen trat oder sie beschimpfte. Wie üblich, wenn der Gerichtssaal der Öffentlichkeit sich aufgrund von unbewiesenen Anschuldigungen eine Meinung gebildet hat, fand sich ein friedliebender, toleranter Mob im Internet zusammen, der ihn mit hasserfüllten Nachrichten überschüttete, ihm alles erdenklich Schlechte wünschte und ihm die ein oder andere Morddrohung zukommen ließ. In dem verschwommenen Video ist tatsächlich eine Person zu sehen, die nicht gerade umsichtig mit den Tieren umgeht. Ob es sich dabei aber nun wirklich um Barbero handelt, lässt sich nicht eindeutig feststellen.
Die Qualität ist teilweise so miserabel, dass sich bei manchen der Clips nicht einmal mit Sicherheit sagen lässt, ob die gezeigte Person Haare hat oder ob sie eine Kopfbedeckung trägt – Barbero war glatzköpfig. Barbero, sein früherer Arbeitgeber und seine Ex-Kollegen wiesen die Anschuldigungen zurück. Eine umfassende Untersuchung konnte nicht zu dem Ergebnis kommen, dass Barbero Tiere misshandelt hatte. Es wäre nicht das erste Mal, dass so genannte Tierschutzaktivisten Videomaterial in ihrem Sinne manipulieren. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war ebenfalls kalkuliert. Anhand der Einrichtung des Marinelands in Mallorca, wo Barbero seinerzeit arbeitete, lassen sich die verschiedenen Clips grob datieren. Der Aufnahmezeitraum erstreckt sich über mehrere Jahre. Es ging nie um Tierschutz. So oder so trieb der Gerechtigkeitskampf der Internetkrieger Barbero wahrscheinlich in den Selbstmord. Eine seiner ehemaligen Kolleginnen zog es vor, den Job zu wechseln und unterzutauchen, als auch sie zum Ziel wurde.
Was geschah mit dem Delfin-König? begnügt sich aber nicht mit der Nachzeichnung des Falles. Tatsächlich scheut sie sich nicht davor, generelle Kritik an solchen Show-Delfinarien und ähnlichen Einrichtungen zu üben – unabhängig davon, ob die Tiere nun gezielt misshandelt werden oder nicht. Die Doku greift hauptsächlich auf Archivmaterial und talking heads zurück. Verbindliche Antworten bleibt sie allerdings schuldig, dem Zuschauer werden größtenteils seine eigenen Schlussfolgerungen überlassen. Dafür liefert sie jedoch eine hinreichende Grundlage.
OT: „¿Qué le pasó al rey de los delfines?“
Land: Spanien
Jahr: 2022
Regie: Luis Ansorena Hervés, Ernest Riera
Drehbuch: Luis Ansorena Hervés, Ernest Riera
Musik: Jaime G. Soriano
Kamera: Alfredo de Juan
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