Veröffentlicht am 8. Oktober 2012 von in Specials //
Wenn ein Musiker mit „seinem“ Instrument die Country Music nachhaltig geprägt hat, dann dieser Lloyd Green. In der großen Blütezeit des legendären Nashville Sound in den 1970er und bis weit hinein in die 1980er Jahre, war dieser Mann der meistbeschäftigte Studio-Musiker in Music City.
Kaum ein Sänger, für den er nicht ins Studio gegangen wäre – nicht nur für Vertreter der Country Music. Erst ein gesundheitsbedingter Schicksalsschlag zwang ihn zum Rückzug. Doch dazu später mehr, zunächst soll dieser Mann mit seiner Biografie vorgestellt werden.
Der winzige Flecken Leaf in Mississippi ist sein Geburtsort, wo er am 4. Oktober 1937 das Licht der Welt erblickte. Schon wenige Jahre nach seiner Geburt zog die Familie um nach Mobile, Alabama, was für Lloyd Green die Heimat wurde. Die Eltern erkannten das musikalische Talent ihres Sprösslings, förderten es, indem sie ihm Musikunterricht ermöglichten. Ganze sieben Jahr alt entdeckte er die Hawaii-Gitarre, von der er sofort fasziniert war und sie zu spielen begann. Zwangsläufig landete er dann bei der Steel Guitar. Sein Können wollte er vor Publikum beweisen, mit 10 Jahren, so schmunzelt er, sei er mit anderen Knaben in Clubs aufgetreten, habe dafür Geld bekommen und sei somit Berufsmusiker geworden. Noch spielte er nicht regelmäßig für Geld, denn zunächst verlegte sich Green auf die Schulausbildung. An der Universität von Southern Mississippi studierte er Psychologie, machte sein Examen und sich dann auf nach Nashville. Niemand konnte ahnen, welch enorme Bedeutung er für die Country Music und damit auch für die Stadt Nashville haben sollte.
„Im Januar 1957 kam ich in Nashville an und bekam einen Job in der Band von Faron Young. Achtzehn Monate dauerte dieser Job, dann schlossen sich Auftritte mit Ferlin Husky, Hawkshaw Hawkins, Jim Reeves und auch George Jones an“, erzählt er. Auch in der Grand Ole Opry spielte er sein Instrument regelmäßig für die Stars jener Jahre. Gut erinnert sich Mr. Steel Guitar an seinen ersten Studio Job: „Das war für George Jones und sein „Too Much Water Runs Under The Bridge“. Kein Knaller aber es war meine Eintrittskarte. Ich erkannte, dass dort meine Chance liegen könnte, denn der Tournee-Stress in der Band eines Sängers war nicht unbedingt das, was ich mir für den Rest meines Lebens erhoffte. Aber es dauerte noch einige Jahre, ehe sich das Blatt wendete.“
Selbst für ein solches Ausnahme-Talent wie Lloyd Green war kein Rosenbett eingerichtet. Ihm ging es finanziell alles andere als gut. Green: „Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Musiker wie ich lebten damals von der Hand in den Mund. Ich konnte meinen Beitrag für die Musiker-Gewerkschaft nicht mehr bezahlen, deshalb ging ich zurück nach Mobile.“ Dazu muss man wissen, dass die Studiomusiker der Musiker-Gewerkschaft angehören und nach festen Tarifen bezahlt werden. Egal wie berühmt sie auch sind. Das ist auch heute nicht anders in Nashville. Es ist also die Anzahl der Sessions, die in erster Linie die Kasse klingeln lässt. Wieder Green: „Der Rückzug nach Mobile dauerte nicht lange, mich zog es zurück nach Nashville und wurde dort – Schuhverkäufer! Eines Tages traf ich die Witwe von Fred Rose, kam mit ihr ins Gespräch und sie bezahlte den Gewerkschaftsbeitrag für mich. Ohne ihre Hilfe hätte es mich möglicherweise nicht lange dort gegeben.“
Den Durchbruch als Studiomusiker schaffte Lloyd Green 1965 als er bei Warner Mack´s erster Nr. 1 „The Bridge Washed Out“ mit für diesen Erfolg sorgte. Die nächsten 15 Jahre spielte er bei sage und schreibe 400 Sessions im Jahr die Steel Guitar und gelegentlich die Dobro. Alle Stars gehörten zu seinen Kunden – aber er spielte auch bei Sessions von völlig unbekannten Künstlern mit. Seine Fähigkeiten hatten sich beileibe nicht nur bei Country-Künstlern rundgesprochen. Von Henry Mancini bis Earl Klugh, von Paul McCartney bis Ringo Starr holten sie ihn ins Studio. Erstaunlich viele Instrumental-Alben gibt es von Lloyd Green auch.
Als die so genannten „Neo-Traditionalisten“ um Ricky Skaggs zu Beginn der 1980er Jahre für eine zumindest zeitweise Rückbesinnung auf die traditionelle Art dieser Musik bewirkten, war natürlich Lloyd Green mit im Boot. Und er ging auch gelegentlich wieder auf die Bühne, um ein wenig Live-Atmosphäre zu schnuppern. Dann warf ihn eine Infektion des Ohres aus der Bahn. Er, dem man das absolute Gehör attestierte, konnte von einem auf den anderen Tag seinen geliebten Beruf nicht mehr ausüben. Man kann sich gut vorstellen, was das für ihn bedeutete, wie es in ihm aussah. Aber er akzeptierte dieses Schicksal, versuchte, das Beste daraus zu machen – und er kam wieder. Kurze Zeit später traf ich ihn bei einem Steel Guitar Meeting in Holland, für das er eigens über den großen Teich gekommen war. Es wurde eine emotionale Begegnung, denn mit Lloyd Green verbinden mich freundschaftliche Bande seit unserer ersten Begegnung Ende der 1970er Jahre. Damals war es mir gelungen, aus dem Stehgreif und ohne Vorbereitung dank eines Lloyd Green innerhalb eines Tages eine Session für einen befreundeten Musiker zu arrangieren, noch dazu mit dessen „Wunsch-Musikern“. Seither hatten wir uns immer wieder getroffen, Lloyd Green vermittelte mir als einem Musikliebhaber, der überhaupt kein Instrument spielen kann, nahezu alles, was ich über dieses Instrument wissen wollte. Wenige Wochen vor seinem Gastspiel in Holland hatte Lloyd Green mir in Nashville von seinen Comeback-Plänen erzählt. Nun hatte er sie in die Tat umgesetzt.
Rückblickend meinte er dazu: „Als ich mich vor zwei Jahren (das war 1988) zurückzog, hatte ich 25 Jahre Studioarbeit hinter mir. Schwere Innenohr-Probleme zwangen mich dazu. Die Genesung dauerte länger als ich es erwartet hatte. In die Studio-Arbeit gehe ich nicht mehr zurück, was nicht heißt, dass ich gelegentlich doch noch mal dort arbeite. Aber nicht mehr als Hauptberuf. Dafür trete ich wieder bei kleineren Veranstaltungen auf, weil es mir einfach Spaß macht. Es gibt heute genug gute und jüngere Steeler, da muss ich mir nicht den Stress der Studioarbeit antun.“ Bei mir lag die Vermutung nahe, dass auch die seit Beginn der 1990er Jahre erneut veränderte Situation der Country Music an seinem Entschluß nicht schuldlos war.
Darauf angesprochen analysierte Green damals: „Es gab damals viele Sänger mit mittelprächtigen Stimmen, sie waren aber in der Regel Stilisten. Heute verpflichten die Firmen Sänger mit besseren Stimmen, die meisten davon aber hören sich gleich an, es fehlt an Stilisten, die man sofort erkennt. Noch bevor sie überhaupt singen. Wie es bei einem Ernest Tubb, Ray Price oder auch Johnny Cash der Fall war. Zudem sind die technischen Möglichkeiten enorm weiter entwickelt worden. Man nimmt sich auch mehr Zeit im Studio, was der Qualität durchaus zuträglich ist. Wir haben drei oder vier Songs pro Session gemacht und eilten von Studio zu Studio. Da hörte sich dann der „Sound“ oft ähnlich an, die Platten klangen – sofern es der Sänger mit seiner Stimme nicht rausriss, durchaus langweilig. Die Studiomusiker heute sind ganz sicher nicht schlechter, man sollte ihnen mehr Freiraum lassen, ihre Virtuosität auch einzubringen.“.
Eine Aussage, die auch heute, 17 Jahre später, noch zutrifft. Er wusste, wovon er sprach, denn Lloyd Green gehört zu den Musikern, die einen Sound geprägt haben. Mit einem Instrument, das eine vergleichsweise kurze Vergangenheit aufweist. Dessen technische Entwicklung auch heute noch längst nicht abgeschlossen ist. Über sein eigenes, ebenso prägnantes wie intensives Spiel sagt er: „Ich habe 3 Fuß- und 5 Kniepedale. Das reicht, mathematisch gesehen eröffnet das schon millionenfache Möglichkeiten. Je weniger Pedale man verwendet, je weniger mechanisch wird das Spiel. Mit vielen Pedalen kommt der Stahl weniger zum Einsatz. Nutzt du weniger Pedale, musst du den Stahl mehr bewegen und das bringt Emotion und Feeling. Vom Instrument sollte man soviel lernen, dass man es ohne dabei zu denken spielt. Deine Ideen kommen vom Gehirn in die Ohren, möglichst spontan. Die Steel Guitar sollte nicht mehr sein als ein Mittel, deine Ideen zu verwirklichen.“
Auch wenn man die Steel Guitar außerhalb der Country Music immer noch selten hört, mussum ihre Zukunft keine Sorge sein. Es gibt schon Weltstars, die zumindest gelegentlich dieses Instrument für eine Session einbauen. Lloyd Green erinnert sich diesbezüglich: „Paul McCartney wollte mich 1976/77 für eine Tournee mit seiner Gruppe Wings haben. Ich wünschte, ich hätte das damals gemacht aber ich sagte ab, weil ich Angst hatte, meine Studio-Jobs zu verlieren. Mir ist um die Zukunft der Steel nicht bange. Ich denke, in 20 oder 30 Jahren wird man sie in großen Orchestern bei großen Konzerten hören.“
Sein eigenes immenses Können vermittelt Lloyd Green gern weiter. Nicht nur junge Musiker und Anfänger suchen seinen Rat, auch gestandene Steel-Größen wie Buddy Emmons, Paul Franklin, Tom Brumley, Weldon Myrick, Hal Rugg usw.usw. holten sich immer mal Tipps von Lloyd Green. Er ist eine Seele von Mensch, die personifizierte Höflichkeit und ein Musiker, der seine Seele über sein Instrument öffnet.
Auszeichnungen hat er vor allem während seiner aktiven Zeit im Studio reichlich erhalten. Natürlich wurde er auch in die Steel Guitar Hall of Fame aufgenommen (1988) aber die beeindruckendsten Zahlen sind wohl diese: Lloyd Green hat mit weit über 500 Künstlern im Studio gearbeitet, er spielte bei 115 Nr. 1 Hits und weit über 100 weiteren Top Ten Hits mit. Es wird vorsichtig geschätzt, dass er in rund 30 Jahren Studioarbeit bei über 30.000 Songs mitgewirkt hat. Und natürlich war er auch an der Entwicklung verschiedener Steel Guitar Modelle maßgeblich beteiligt.
Es mag ihm vergönnt sein, seinen aktiven Ruhestand noch lange genießen zu können. Ich jedenfalls freue mich darauf, ihn beim nächsten Besuch in Nashville wieder auf einen Kaffee treffen zu können, denn Diskussionsstoff bietet eine Musikrichtung wie die Country Music immer mehr als genug.
„Girl On The Billboard“ – Del Reeves (1965)
„D-i-v-o-r-c-e“ – Tammy Wynette (1968)
„Tennessee Bird Walk“ – Jack Blanchard & Misty Morgan (1970)
„Is Anybody Going To San Antone“ – Charley Pride (1970)
„Joshua“ – Dolly Parton (1971)
„You’re My Man“ – Lynn Anderson (1971)
„Easy Lovin’“ – Freddie Hart (1971)
„It’s Four In The Morning“ – Faron Young (1972)
„The Lord Knows I´m Drinking“ – Cal Smith (1973)
„Satin Sheets“ – Jeanne Pruett (1973)
„Hello Love“ – Hank Snow (1974)
„Marie Laveau“ – Bobby Bare (1074)
„Pure Love“ – Ronnie Milsap (1974)
„Rub It In“ – Billy Crash Craddock (1974)
„You’re My Best Friend“ – Don Williams – (1975)
„Daydreams About Night Things“ – Ronnie Milsap (1975)
„Golden Ring“ – George Jones & Tammy Wynette (1976)
„Some Broken Hearts Never Mend“ – Don Williams (1977)
„Don’t It Make My Brown Eyes Blue“ – Crystal Gayle (1977)
„Ready For The Times To Get Better“ – Crystal Gayle (1978)
„All The Gold In California“ – Larry Gatlin & the Gatlin Brothers (1979)
„Tryin‘ To Love Two Women“ – Oak Ridge Boys (1980)
„You’re The Reason God Made Oklahoma“ – David Frizzell & Shelly West (1981)
„Elvira“ – Oak Ridge Boys (1981)
„Bobbie Sue“ – Oak Ridge Boys (1982)
„I Wouldn’t Change You If I Could“ – Ricky Skaggs (1983)
„Swingin’“ – John Anderson (1983)
„The Sound Of Goodbye“ – Crystal Gayle (1984)
„Baby’s Got Her Blue Jeans On“ – Mel McDaniel (1985)
„Yellow Roses“ – Dolly Parton (1989)
„Remember When“ – Alan Jackson (nach seinem Comeback 2004)
Lloyd Green war bei nahezu allen Hits z.B. von Don Williams, Crystal Gayle und den Oak Ridge Boys unter den Studiomusikern. Je mehr man sich damit beschäftigt, je unglaublicher wird der „Arbeitsnachweis“ dieses Musikers.
„I Can See Clearly Now“ (1973, Nr. 36)
„Here Comes The Sun“ (1973)
„You And Me“ (1976)
Hawaiian Enchantment (1964)
The Big Steel Guitar (1964)
The Hit Sounds (1965)
Day For Decision (1966)
Green Country (1966)
Mr. Nashville Sound (1967)
Cool Steel Man (1968)
Moody River (1969)
The Music City Sounds (1970)
Lloyd Green And His Steel Guitar (1971)
Shades Of Steel (1973)
Steel Rides (1975)
Ten Shades Of Green (1976)
Feelings (1977)
Lloyd’s Of Nashville (1979)
Reflections (1991)
Revisited (2003)
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