Ohne Software funktioniert im Auto heute kaum noch was, weshalb Autobauer händeringend nach Softwareentwicklern suchen. Aber die Lage am Arbeitsmarkt sieht grimm aus und wird sich auf absehbare Zeit nicht verbessern. Die Industrie muss handeln.
Gefragt wie nie: Sämtliche Branchen sind auf der Suche nach Softwareentwicklern. In den kommenden Jahren verabschieden sich viele Entwickler in den Ruhestand und zugleich steigt der Bedarf. (Bild: REDPIXEL @ AdobeStock)
Das Zitat „Software is eating the world“ von Marc Andreesen (Gründer von Netscape) aus dem Jahr 2011 hat bis heute Gültigkeit. Mittlerweile lässt es sich auch auf die Automobilindustrie anwenden. Software ermöglicht bis zu 90 Prozent der Fahrzeuginnovationen. Autobauer und Zulieferer bauen ihre Softwarekompetenz signifikant aus und schaffen eigene Software-Organisationen – Stichwort Software-defined car. Die Medien überbieten sich mit Angaben, welches Unternehmen plant mehr Softwareentwickler einzustellen. Es ist positiv, wenn in Deutschland zukunftsorientierte Stellen geschaffen werden. Doch welche Botschaften werden damit noch gesendet?
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass in vielen Unternehmen Software vor allem als Kostenfaktor gesehen wird. So wird als Kennzahl oft der Best-Cost-Anteil der Softwareentwicklung genutzt. Oder Software wird unter der Kategorie „Commodity“ – also Massenartikel – eingekauft.
Hinsichtlich eines zukunftsfähigen Industriestandorts Deutschland müssen wir uns aber fragen, wie solche Aussagen auf Hochschulabsolventen wirken, die eine berufliche Karriere in der Automobilindustrie in Betracht ziehen. Sehen sie für sich eine langfristige Perspektive, wenn sie sich als Kostenfaktor fühlen, der mit wachsender Erfahrung weiter ansteigt?
Am 27. und 28. Juni 2023 findet zum 27. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) in Ludwigsburg statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art “automobiles Familientreffen” bezeichnet.
Sichern Sie sich Ihr(e) Konferenzticket(s) für den 27. Automobil-Elektronik Kongress (AEK) im Jahr 2023! Folgen Sie außerdem dem LinkedIn-Kanal des AEK und #AEK_live.
Die Automobilindustrie sucht bereits heute mehrere Tausend Softwareentwickler. Entwickler in der Automobilindustrie benötigen sowohl Expertise bei Software als auch Spezialkenntnisse in den jeweiligen Anwendungsgebieten, wie etwa Physik oder Regelungstechnik. Das erfordert intensive Ausbildung und jahrelange Erfahrung. Wer würde im privaten Umfeld mit der Begründung „sie braucht auch Strom“ einen Elektriker beauftragen eine Heizungsanlage aufzubauen? Softwarespezialisten, die Finanzsysteme für Rechenzentren entwickelt haben, sollen jedoch beispielsweise in kürzester Zeit sicherheitskritische Lösungen für das automatisierte Fahren entwickeln können.
Aufgrund der Alterspyramide werden in den nächsten 15 bis 20 Jahren viele erfahrene Entwickler in den Ruhestand gehen. Wie gewinnen wir ausreichend Nachwuchs an Ingenieuren und Softwareentwicklern, die auch langfristig Innovationen aus Deutschland heraus gestalten und international erfolgreich machen können? Im Jahr 2020 haben in Deutschland zirka 120.000 Ingenieure eine Hochschulausbildung abgeschlossen, davon etwa 14.000 in Informatik. Der Frauenanteil in der Informatik stieg zwar in den letzten 10 Jahren von ungefähr 11 auf 16 Prozent, ist aber immer noch zu gering. Es gibt viele Einzelinitiativen von Organisationen und Unternehmen. Insgesamt hat die MINT-Förderung der Politik bislang aber noch zu wenig Wirkung entfaltet. Es bedarf mehr und besser koordinierte Maßnahmen aus Politik, Verbänden und Unternehmen, um technische Berufe und Software auch für Mädchen und Frauen attraktiv zu machen.
Das Elektrotechnikstudium hat in Deutschland Tradition – entsprechend hoch und unübersichtlich ist die Zahl der Universitäten, die das Fach – sowie verwandte Bachelor- oder Master-Studiengänge – anbieten. Hier finden Sie Deutschlands beste Unis für das Fach Elektrotechnik. Wer sich weiterbilden oder umschulen will, findet hier vielleicht die richtige Uni.
Wir befinden uns im Wettbewerb um zukünftige Mitarbeiter mit Startups, IT-Firmen und anderen technischen Branchen. Aufgabe der Automobilindustrie sollte es sein, attraktive Stellen in Deutschland und im Ausland anzubieten. Junge Mitarbeiter erwarten die Möglichkeit, sich einzubringen und einen Sinn („Purpose“) bei ihrer Arbeit wie z. B. nachhaltiger Umgang mit der Umwelt. Komplexe Unternehmensstrukturen, träge Prozesse sowie umfangreiche Normen und Standards sind dabei wenig attraktiv. Verbände und Politik können unterstützen, durch Schaffung zielgerichteter Ausbildungsprogramme und attraktiver Rahmenbedingungen.
Auch in der Industrie müssen wir uns anpassen: Welchen Sinn macht es im globalen Wettbewerb der Automobilindustrie, wenn viele Unternehmen versuchen insbesondere nicht-differenzierende Software selbst zu entwickeln. Zusammenarbeit ist mehr denn je entscheidend für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Anbindung der Fahrzeuge mit der Cloud und die Beherrschung der dazu erforderlichen Technologien. Dazu sollten wir weniger über Kosten und mehr über den Wert von Software und ihren Beitrag zur Innovation sprechen. Gerade weil Software die Innovation im Fahrzeug bestimmt, sollten wir jetzt Schritte einleiten, um sie langfristig auch aus Deutschland zu gestalten.
Martin Schleicher
Head of Software Strategy bei der Continental AG und Vorsitzender des ZVEI-Steering Committee Software
Ich bin einverstanden, von all-electronics per E-Mail über Zeitschriften, Online-Angebote, Produkte, Veranstaltungen und Downloads aus dem Industrie-Medien-Netzwerks informiert zu werden. Ich bin ferner mit der Auswertung meiner Nutzung des Newsletters zur Optimierung des Produktangebots einverstanden.
Diese Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, indem ich mich vom Newsletter abmelde. Die Datenschutzhinweise habe ich gelesen und zur Kenntnis genommen.
Mit der Registrierung akzeptiere ich die Nutzungsbedingungen der Portale im Industrie-Medien-Netzwerks. Die Datenschutzerklärung habe ich zur Kenntnis genommen.
Sie sind bereits registriert?
Comtronic GmbH
Schaeffler Technologies AG & Co. KG
Dürr Systems AG