Perlen vom Bodensee – das Schachmagazin
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Tata Steel Chess, die Langstrecke zu Beginn eines jeden Schachjahres: Auch bei der 85. Auflage des Traditionsturniers im Küstenort Wijk an Zee ab dem 14. Januar 2023 spielt ein erlesenes Feld von 14 Teilnehmern 13 Runden. Mittendrin: Vincent Keymer, der im Wettbewerb mit den Besten der Welt eine Standortbestimmung zu absolvieren hat. Im parallelen, ebenfalls veritabel besetzten “Challengers”, dem B-Turnier, ist mit Alexander Donchenko ebenfalls ein deutscher Kaderspieler mit von der Partie. Rundenbeginn täglich 14 Uhr.
“Ding und Abdusattorov mit ersten Siegen”:
Bericht zur ersten Runde
Inhaltsverzeichnis
■ Allzu ernst nimmt Magnus Carlsen die ihm am heutigen Sonntag bevorstehende Partie gegen Vincent Keymer offenbar nicht. Anstatt sich in seinem Hotelzimmer einzuschließen und sich vorzubereiten, ging Carlsen Fußball gucken. Als Ehrengast von Ajax Amsterdam verfolgte er das 0:0 gegen Twente Enschede in der Eredivisie. Ajax-Geschäftsführer Edwin van der Sar überreichte Carlsen ein Trikot mit der in Amsterdam heiligen und (an Profifußballer) nicht mehr vergebenen Nummer 14, die einst der große Johan Cruijff getragen hat.
Great to have you here, @MagnusCarlsen! ♟️⚽️ pic.twitter.com/a9Lge8mijA
■ Schluss mit dem isolierten Schachbunker. Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie ist das Tata Steel Chess wieder das, was es sein soll: ein Festival für alle Schachfreunde mit einer Reihe von Amateurturnieren und Rahmenveranstaltungen.
Zur 85. Auflage des Traditionsfestivals ist das Festival umgezogen. “Dorpshuis de Moriaan” heißt der neue Spielort, eigentlich eine Sporthalle, der die Sporthalle nicht mehr anzusehen ist, sobald die Schachspieler mit der aufwändigen Umgestaltung fertig sind. Außerdem hat das Tata Steel Chess jetzt ein neues Design. Die Organisatoren haben ein Video veröffentlicht, das den Umbau der Sport- zur Schachhalle im Zeitraffer zeigt:
■ Vincent Keymer hat die Chance verpasst, mit einem vollen Punkt ins Turnier zu starten. Mit Schwarz gegen Parham Maghsoodloo war Keymer aus der Eröffnung heraus am Drücker, ließ den Iraner jedoch entschlüpfen. Andersherum bei Alexander Donchenko: Sollte er mit einem halben Punkt davonkommen (um 17.46 Uhr zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen sieht es danach aus), kann er heilfroh sein. In der Begegnung gegen Javokhir Sindarov war es der usbekische Olympiasieger, der den Deutschen entschlüpfen ließ.
■ Hans Niemann habe keine ernsthafte Chance gehabt, eingeladen zu werden, hat jetzt Turnierdirektor Jeroen van den Berg der niederländischen Zeitung De Telegraf gesagt: „Jeder junge Spieler ist für unser Turnier interessant, und Niemann ist ein junger, guter Schachspieler. Aber als der Streit um seinen angeblichen Betrug ausbrach, hatte ich das Spielerfeld fast komplettiert.“ Van den Berg sagt, er habe noch einen Topspieler gesucht, da bereits ausreichend Nachwuchsgroßmeister verpflichtet waren. “Außerdem würde eine Einladung an Niemann bedeuten, dass Magnus Carlsen nicht kommen würde. Das ist undenkbar.” Der Turnierdirektor freut sich, dass es ihm gelungen ist, als letzten Spitzenspieler Ding Liren zu verpflichten, der im vergangenen Jahr pandemiebedingt abgesagt hatte. “Zur Vorbereitung auf das WM-Match kann Ding ein Turnier gut gebrauchen, bei dem er dreizehn Partien auf höchstem Niveau bestreitet.” Ding habe einen negativen Corona-Test vorgewiesen, die Teilnahme sei kein Problem. Ein Problem ist eher das WM-Match, dessen ursprünglich geplanter Austragungsort Mexiko-City sich wohl zerschlagen hat. Keine drei Monate vor dem Match ist unklar, wo es stattfinden wird.
■ Die “Wochen der Wahrheit” mit Rapid- und Blitz-WM, gefolgt von zwei Superturnieren, begannen für Vincent Keymer denkbar erfolgreich. Als frisch gekürter Vizeweltmeister im Schnellschach geht der 18-Jährige jetzt die Herausforderung an der niederländischen Küste an, eine Standortbestimmung in seinem ersten Profijahr im Vergleich mit den Besten der Welt und den anderen überragenden Talenten seiner Generation. Keymers Ziel: “Ich will mich behaupten.” Zum Auftakt trifft Keymer am Samstag mit Schwarz auf die iranische Nummer eins Parham Maghsoodloo.
■ Zwei Tage vor Turnierbeginn erreichte Alexander Donchenko 2021 die Einladung zum ersten und bis jetzt einzigen Superturnier seiner Karriere. Und er begann den Wettbewerb schon vor der ersten Partie mit einem Fehler. Donchenko begab sich allein in die coronasicher abgeschirmte Schachblase von Wijk – und litt an Einsamkeit, die zu seiner Ergebniskrise beigetragen haben mag. Anno 2023 ist Donchenko wieder dabei, im “Challengers” dieses Mal. Er wird seine Lehren aus dem 2021er-Turnier gezogen haben. Und, wenn es gut läuft, mag die Qualifikation für das zweite Superturnier seines Lebens drin sein. Der Sieger des “Challengers” 2023 spielt 2024 im “Masters”. In dieser Hinsicht beginnt Donchenkos Turnier mit einer wegweisenden Partie: Weiß gegen den bärenstarken Usbeken Javokhir Sindarov (Elo 2654), die nominelle Nummer zwei des Felds.
■ Denen, die da sind, werden wir uns an dieser Stelle in den kommenden Wochen ausgiebig widmen. Vorher sei notiert, wer fehlt. Die Liste der Abwesenden beginnt mit Hans Niemann, der in seiner Klage gegen Carlsen, Nakamura & Co. erklärt warum: Er sollte und wollte mitspielen, aber die Veranstalter hätten die Verhandlungen abgebrochen, als das Carlsen-Drama begann. Außerdem fehlt Alireza Firouzja, der sich nach seinem Wijk-Eklat vor zwei Jahren im vergangenen Jahr verzockt hat und 2023 mutmaßlich gar nicht erst eingeladen worden ist. Französische Medienanfragen zu seiner Wijk-Abwesenheit ließ Firouzja unbeantwortet. Ukrainer fehlen 2023 in Wijk vollständig, schade, Russen auch, verständlich. Außerdem fehlt im Masters Jan-Krzysztof Duda sowie im Challengers Salem Saleh. Diese beiden haben kurzfristig aus privaten Gründen abgesagt. Statt ihrer spielen Parham Maghsoodloo (zum Auftakt Weiß gegen Vincent Keymer) sowie Velimir Ivic.
■ Ob Magnus Carlsen nun 2023 gewinnt oder nicht, als Wijk-Rekordsieger mit acht Triumphen wird ihn so bald (wenn überhaupt) niemand einholen. Der Zweite in der Liste liegt drei Titel zurück. Fünffachsieger Viswanathan Anand ist zwar auch in diesem Jahr anwesend, hat aber als Ehrengast und Zuschauer keine Chance, seinen sechsten Wijk-Sieg einzufahren. Da der Inder nicht am Brett sitzt, geht die zweifelhafte Ehre, ältester Spieler des Wettbewerbs zu sein, an Levon Aronian (40). Der US-Armenier mag allerdings jugendliche Energie aus dem freudigen Umstand schöpfen, dass er Ende 2022 Vater seiner Tochter Zabelle geworden ist. Gleich zum Auftakt sitzt Aronian am Samstag der zweitälteste Spieler des Turniers gegenüber, der eingangs erwähnte Magnus Carlsen (32). Die 71. klassische Partie zwischen den beiden Turniersenioren.
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Zu “Wer fehlt”: Firouzja fehlte ja auch bei der EM im Schnell- und Blitzschach, da lag es angeblich an Sicherheitsbedenken in Kasachstan. Er würde auch beim WR Chess Masters zum Teilnehmerfeld passen – als der Jungstar, der bisher am meisten erreicht hat (ob er diesen Status mittelfristig behält, da bin ich mir nicht sicher). Jemand schrieb mir, dass Firouzja auch in Prag (das sich ihn nun wohl ohnehin nicht mehr leisten könnte) den Organisatoren gegenüber auffiel, vielleicht spricht sich so etwas ja herum? “Van den Berg hofft, ihn (Firouzja) für künftige Auflagen des Traditionsturniers gewinnen zu können.” stammt aus dem… Weiterlesen »
Die Aktion, wie mit Firouzja beim damaligen Tie- Break von Wijk umgegangen wurde: Wenn sich in dem Ausmaß ein Schachspieler die Auslegung der Regularien zu seinen Gunsten geleistet hätte, wäre er disqualifiziert worden. Ich finde es fragwürdig, Firouzja Dinge spekulativ zu unterstellen, auch so ne Art Diventum. Ganz glasklar, vor allen Augen und Bildschirmen war das, was damals in aller Schachöffentlichkeit in Wijk ablief. Das was in Firouzja reininterpretiert wird ist hingegen spekulativ.
Was auch immer man vom “Umgang mit Firouzja” vor dem damaligen Tiebreak hält, es wurde jedenfalls von Firouzja und seinen Fans (die er auch unter Journalisten hat) ziemlich aufgebauscht. Betroffen war ja auch Firouzjas Gegner Wojtaszek, der sich nicht empörte. Zuvor wurde 2018 vor dem Stichkamp zwischen Carlsen und Giri auch eine Partie zweier Spieler der Challenger-Gruppe (langes Endspiel) in den zu diesem Zeitpunkt bereits verwaisten Amateurbereich verlegt. Das war angesichts des Trubels danach auf der Bühne noch notwendiger: Fotografen und auch ein dafür angereistes Fernsehteam, auch ich war dann kurz in den Abendnachrichten zu sehen. Man kann beim Tiebreak… Weiterlesen »
Zum mittlerweile erwähnten Telegraaf-Artikel (niederländische Bild-Zeitung): Wenn Niemann in seiner Klage Interesse aus Wijk aan Zee erwähnt, dass sich dann zerschlagen hat, gab es vielleicht doch Vor-Verhandlungen. Das könnte Niemann dann auch belegen, da wohl nicht nur mündlich (telefonisch) sondern auch schriftlich (Email) und demnach dokumentiert. Jeroen van den Bergh sagt ja auch, dass “Sinquefield Cup und danach” eine zumindest potentielle Rolle spielte. Einen etwas schwer zu übersetzenden Satz hat Conrad Schormann auch nicht übersetzt: “Gezien de commotie wilde ik mijn vingers er ook niet aan branden.” – etwa: “angesichts der ganzen Aufregung wollte ich mir daran auch nicht die… Weiterlesen »
Man kann in das Thema “Verlagerung von Partien aufgrund des Tie- Breaks” Klarheit reinbringen. Das kann beispielsweise in der Ausschreibung und/oder im Vertrag mit dem Spieler geregelt werden. Dann kommt es nicht überraschend. Dann löst das auch keinen Stress aus. Bei Firouzja- Woitaczek war es auch möglich, dass einer der beiden Spieler sich Hoffnungen machte, in den Tie- Break zu kommen. Er konzentrierte sich auf seine Partie und nicht auf die Feinwertung der Tabelle. Ein Zuschauer im Internet wirft einen Blick auf die Feinwertung der Tabelle. Doch ein Spieler konzentriert sich. Es geht um viel Geld und auch um Emotionen. Emotionen… Weiterlesen »
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