Auch interessant
Mehr Artikel von Stefanus →
Leise, still und heimlich findet sich an vielen Bikes ein neuer Standard – und das, obwohl er direkt im Blickfeld des Fahrers liegt: 35 mm Lenker. Lange angekündigt finden sie heute ihren Weg an immer mehr Bikes. Ein Glück? Renthal Fatbar 35 & Ritchey Trail WCS 35 am Renthal Apex 35 im Test.
Vor etwas längerer Zeit wiesen Lenker im mittleren Klemmbereich einen Durchmesser von einem Zoll, also 25,4 mm auf. Dann folgte der Umstieg auf 31,8 mm – durch die größere Stützbreite, genauer: Durch das größere Flächenträgheitsmoment, braucht es mit diesem Maß weniger Material für die gleiche Steifigkeit oder es resultiert in höherer Steifigkeit bei gleichem Materialeinsatz. Denn: Es steigt in der vierten (!) Potenz mit dem Radius, weshalb der Lenker überdurchschnittlich dünner konstruiert werden kann. Der gleiche Effekt, der auch hinter den dickeren Rohren von Alu-Rahmen im Vergleich zu Stahlrahmen steckt.
Die gleiche Idee steckt hinter 35 mm Lenkern: Noch breiter, noch leichter oder steifer. Aber: Das Dicken-Wachstum ist begrenzt, schließlich muss der Lenker auch noch vom Vorbau geklemmt werden können – eine Cola-Dose ließe sich schlecht einspannen.
Wir haben zwei Modelle ausprobiert: Den Renthal Fatbar 35 und den Ritchey Trail WCS 35.
Schauen wir zunächst einmal aufs Gewicht – sind die beiden Lenker wirklich leichter als Modelle mit dem inzwischen etablierten Durchmesser von 31,8 mm? Ritchey nutzt den größeren Durchmesser erst einmal, um den Lenker breiter zu bauen. Der „normale“ Trail WCS kommt in 760 mm Breite, der 35 mm dicke in 780 mm Breite. Tatsächlich ist der dickere Lenker aber auch schwerer als sein dünnerer (und minimal schmalerer) Bruder: Laut Hersteller 290 g statt 276 g, in der Realität jeweils etwas mehr – Gewicht wird hier also schon einmal nicht gespart.
Und bei Renthal? Der dicke Fatbar Lite ist wie auch bei Ritchey beobachtet um 20 mm breiter als die 31,8 mm Version. Gleichzeitig wiegt er laut Hersteller nur 1 g mehr, was bedeutet: Das Gewicht bleibt gleich, die Breite steigt, hier kann – wenn auch nur marginal – von einem Gewichtsvorteil die Rede sein.
Kommen wir aber zur wichtigsten Frage: Wie fahren sich die dickeren Lenker?
Wir klemmen beide Lenker mit demselben Vorbau: Einem Renthal Apex 35. Dieser hat eine Länge von 33 mm und zollt damit der Tatsache Tribut, dass ein dickerer Lenker fast zwangsläufig eine größere Minimallänge für den Vorbau bedeutet. Da wir hier aber von wenigen Millimetern reden, sei das nur am Rande erwähnt. Beginnen wir mit dem Renthal Fatbar Lite 35. Der gewöhnliche Fatbar Lite ist mir gut bekannt, ihn fahre ich seit einiger Zeit in Kombination mit einem Renthal Duo Stem in 40 mm Länge. Der Unterschied ist tatsächlich bereits beim ersten Sprint spürbar: Das 35 mm Cockpit ist steifer, und das, obwohl Renthal dem Lenker „das selbe Flex-Verhalten“ wie dem 31,8 mm Fatbar attestiert.
Trügt der Fahreindruck? Auch im ersten Steinfeld wirkt er steif, aber nicht mehr so deutlich steifer als die schlanke Variante. Mein Verdacht: Hintergrund ist der Vorbau. Tatsächlich gibt es wohl kaum eine kompaktere Möglichkeit, Lenker und Gabelschaft miteinander zu verbinden, als den Apex 35. Er wirkt massiver dimensioniert als der Duo Stem und gleichzeitig doch leichter (und 7 mm kürzer). Fakt ist: Mit dem größeren Lenkerdurchmesser lässt sich ein steiferer Vorbau bauen, ohne zusätzliches Gewicht an Bord zu holen. Der Fahrkomfort wird dadurch nicht beeinflusst, da die Belastung von Wiegetritt und Fahrbahnstößen unterschiedlich ist.
Kommen wir zum Ritchey Trail WCS. Auch er wird im Apex 35 montiert und der Vergleichbarkeit halber benutzen wir auch dieselben Griffe und dasselbe Bike. Schnell steht fest: Der Trail WCS ist sogar noch einen Hauch steifer als der Fatbar. Im Wiegetritt gibt er kaum nach, in der Abfahrt ist der Flex ebenfalls stark beschränkt. Wir kürzen den Lenker anschießend auf 760 mm, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Generell bin ich kein besonders großer Fan von gekürzten Lenkern, da diese sich für gewöhnlich zu steif fahren und nur wenig Platz für Brems- und Schalthebel lassen, da die Krümmung in der Regel weiter nach außen gezogen wird als bei schmaleren Lenkern – doch 20 mm machen keinen deutlichen Unterschied.
Der Trail WCS sieht super aus, ist aber eher für etwas schwerere Fahrer zu empfehlen, da er bei leichten Fahrern mit seinem etwas geringeren Flex weniger Komfort bietet. Doch gerade an dieser Stelle springt der Herstellerhinweis ins Auge: Maximal 110 kg darf der Fahrer samt Ausrüstung auf die Waage bringen, was wir sonst nur von Extra-Leicht-Komponenten kennen. Wer aber einen günstigen, breiten und nicht zu schweren 35er Lenker sucht, wird hier absolut fündig.
Die von uns getesteten Lenker mit 35 mm Klemmdurchmesser sind zum Glück beide nicht zu steif, was zu befürchten gewesen ist. Erklärt werden kann dies dadurch, dass der dicke Bereich nur recht schmal gehalten ist. Sie sind auch nicht wirklich leichter, weder teurer noch günstiger als die bisherigen 31,8 mm Versionen. Aber: Der getestet 35 mm Vorbau ist richtig steif, wenn es um den Wiegetritt geht – und das schadet nie. Dazu ist er richtig leicht. Unser Fazit deshalb: Wir werden uns nicht gegen das neue Maß wehren – aber zur Bank rennen muss für einen dickeren Lenker niemand.
Website: http://ritcheylogic.com / www.renthal.com
Text & Redaktion: Stefanus Stahl | MTB-News.de 2016
Bilder: Stefanus Stahl
LB Jörg
dabei seit 12/2002
Fotos Videos
ufp
dabei seit 12/2003
Fotos Videos
fone
dabei seit 09/2003
Fotos Videos
Trialbiker82
dabei seit 07/2010
Fotos Videos
evil_rider
dabei seit 01/2002
Fotos Videos
Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular: