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Legendäre Downhill-Rennfahrer gibt es viele, doch nur einer wird als der G.O.A.T. bezeichnet: Greg Minnaar! Sage und schreibe 21 World Cups konnte der Südafrikaner in seiner glorreichen Karriere für sich entscheiden. Wir haben Greg Minnaars Arbeitsgerät, das Santa Cruz V10 29, genau unter die Lupe genommen!
21 Downhill World Cup-Siege, über 70 Podium-Platzierungen, 3 Weltmeister-Titel, 11 Medaillen bei WMs – kein aktiver World Cup-Racer ist so erfolgreich wie Greg Minnaar, der auch deshalb von vielen ehrfürchtig als G.O.A.T., der Greatest Of All Time, bezeichnet wird. Der Südafrikaner blickt auf eine mehr als beeindruckende Karriere zurück: Schon im zarten Alter von 19 Jahren konnte er den Gesamt-Weltcup für sich entscheiden. Inzwischen ist der sympathische Fahrer stolze 37 Jahre alt, geht aber Woche für Woche als Anwärter auf den Sieg an den Start.
Nach Stationen bei Orange, Haro und dem legendären Team G-Cross Honda ist Greg Minnaar seit nunmehr elf Jahren ein fester Bestandteil des Santa Cruz Syndicates. Und mittlerweile hat der groß gewachsene Fahrer anscheinend endlich ein Arbeitsgerät, das ihm passt. Bei der Entwicklung des aktuellen Santa Cruz V10 29, das er in Größe XL fährt, hat Greg Minnaar eine wichtige Rolle gespielt. Schaut man sich Aufnahmen von früher an, dann kann man kaum glauben, wie (viel zu) klein die damaligen Bikes für ihn waren. Das Syndicate war das erste Team, das vor gut zwei Jahren einen 29″-Downhiller aus dem Hut gezaubert hat. Inzwischen sind die großen Laufräder nicht mehr aus dem Downhill-Sport wegzudenken und auch das V10 29 hat sich vom Prototyp zum Serienprodukt entwickelt. Wir haben uns das spannende Arbeitsgerät von Greg Minnaar im Detail angeschaut!
Greg Minnaar ist auf einem Santa Cruz V10 29 in Größe XL unterwegs. Der Rahmen entspricht abgesehen von der Speziallackierung dem, der nun auch seit einigen Monaten käuflich zu erwerben ist. Doch der Syndicate-Fahrer ist für seine Experimentierfreudigkeit bekannt und gilt als einer der größten „Puzzler” im World Cup-Zirkus – seine Videos mit Jordi Cortes von Fox sind schon jetzt legendär. Nach einigen Tests in Morzine wurde sein V10 29 in Andorra mit einem monströs langen 478 mm-Hinterbau und angepasster Umlenkwippe versehen. „Wir haben mit dem langen Hinterbau herumexperimentiert, aber dann festgestellt, dass es wohl zu lang ist”, erklärt sein langjähriger Mechaniker Jason Marsh. „Jetzt sind wir zurück auf dem Serienbike, aber es ist gut, solche Sachen auszuprobieren, um zu wissen, ob man auf dem richtigen Weg ist.”
Was Greg an seinem Santa Cruz V10 29 am wichtigsten ist? Alles – das Bike muss perfekt sein!
Greg fährt sein V10 29 mit einem Chris King Buzzworks-Headset, das den 490 mm-Reach des XL-Rahmens um weitere 8 mm verlängert. Doch von solchen Angaben hält Marshy nicht besonders viel: „Man kann sich die Geometrie-Tabelle online anschauen, aber der reine Reach-Wert sagt nicht viel aus. Von der Mitte des Steuersatzes bis zum Lenker sind es gerade 55 mm – pro 10 mm, die man in die Höhe geht, wird der effektive Reach um 3 mm verkürzt. Den Reach zu messen ist für uns bei einem Rennen eher eine Zeitverschwendung – wir orientieren uns eher an der Distanz vom Tretlager zur Mitte des Lenkers.” Für das Rennen in Les Gets war ein 20 mm Spacer-Turm zwischen Gabelkrone und dem 50 mm langen Burgtec-Vorbau montiert. Generell fährt Greg Minnaar ein vergleichsweise hohes Cockpit, was in Anbetracht seiner Größe von je nach Frisur etwa 1,92 Metern Größe nicht verwundert.
Am Santa Cruz V10 29 besteht die Möglichkeit, über einen Flip Chip die Höhe des Tretlagers und den Lenkwinkel anzupassen. Wie nahezu alle anderen Fahrer auch fährt Greg Minnaar sein Arbeitsgerät im niedrigen Setting. Der Lenkwinkel liegt hier bei 63,3°, das Heck misst stolze 450 mm. Verändert werden je nach Strecke jedoch einige kleine Details: Hinsichtlich Lenkerhöhe und Ausrichtung der Bremshebel weiß der Südafrikaner genau, was er will, erklärt sein Mechaniker: „Wenn ein Fahrer in die Pits kommt und sagt ‘Mein Fahrrad fühlt sich furchtbar an und ich kann heute nicht Fahrrad fahren’, dann ist das nicht besonders hilfreich. Greg ist das genaue Gegenteil: Er weiß alles ganz genau. Und wenn etwas nicht perfekt eingestellt ist, dann merkt er es. Selbst kleinste Abweichungen beim Reifendruck fallen ihm direkt auf. ‘Wie kann er das bitte wissen!?’ denkt man sich dann. Greg hat so viel Erfahrung, dass es für mich als Mechaniker extrem leicht ist mit ihm zusammenzuarbeiten, weil er eben genau weiß, was er will.”
Diese Erfahrung kommt nicht von ungefähr. Allein bei seiner Zeit für das Team G-Cross Honda, während der das wohl sagenumwobenste Downhill-Bike der Geschichte entwickelt wurde, hat der Südafrikaner extrem viel Feedback geben müssen. In seiner langen Karriere ist Greg Minnaar viele verschiedene Bikes gefahren und hat sich über Jahre hinweg einen reichhaltigen Erfahrungsschatz angebaut. Auch mit den Ingenieuren von Santa Cruz steht er in sehr regelmäßigem Austausch. „Als Greg zum ersten Mal auf dem V10 29 mit dem XXL-Hinterbau saß, meinte er direkt, dass das Tretlager einen Tick niedriger ist. Also haben wir mit dem zuständigen Santa Cruz-Ingenieur gesprochen – und tatsächlich musste er für den neuen Hinterbau das Tretlager um 2 mm absenken. Man muss Greg und dem, was er sagt, einfach vertrauen.”
Das Fahrwerk am Santa Cruz V10 29 kommt von Fox: Vorne liefert eine 49 mit GRIP2-Kartusche 203 mm Federweg. Die 215 mm Federweg am Heck werden von einem Fox DHX2-Dämpfer kontrolliert – anders als sein schneller Teamkollege Loris Vergier ist Greg Minnaar praktisch immer auf einem Coil-Dämpfer unterwegs. In diesem ist leuchtend-orange Fox SLS-Feder mit einer Federhärte von 600 lbs verbaut – je nach Strecke wechselt er in Absprache mit Fox hin und wieder auch auf eine 550 lbs-Feder.
Für alle Setup-Fragen ist Jordi Cortes von Fox der richtige Ansprechpartner – dieser beschreibt die Fahrwerk-Einstellungen von Greg Minnaar als sehr balanciert. Tendenziell ist das Heck etwas härter als die Front – das wird damit begründet, dass Greg einer der größten Fahrer im World Cup-Zirkus ist. Das Ausgangs-Setting für die Federgabel ist ein Luftdruck von 90 psi, 6 Klicks Low Speed-Druckstufe, 14 Klicks High Speed-Druckstufe und nur wenige Klicks Rebound. Der Fox-Dämpfer am Heck lässt sich vielfältig abstimmen. Für gewöhnlich startet Greg Minnaar mit 6 Klicks Low Speed-Druckstufe, 14 Klicks High Speed-Druckstufe, 9 Klicks Low Speed-Zugstufe und 12 Klicks High Speed-Zugstufe – dieses Setup wird aber von Strecke zu Strecke und im Lauf des Wochenendes angepasst. Auch hier entsteht der Eindruck, als habe Greg Minnaar extrem genaue Vorstellungen. Gerüchten zufolge wünscht er sich sogar halbe Klicks an den Zug- und Druckstufen-Einstellern, damit er das Fahrwerk noch besser anpassen kann …
Weil Vertrauen gut, Kontrolle aber mindestens auch gut ist, fahren viele Fahrer im Training mit einem Data Acquisition-System an ihrem Rad, um basierend auf den gesammelten Daten das perfekte Setup zu finden. Greg Minnaar vertraut hierfür auf ein System der kalifornischen Firma Motion Instruments. Gerade zu Saisonbeginn kam es häufig zum Einsatz – mittlerweile hat das Team ein ziemlich ideales Setup gefunden. Das System von Motion Instruments lässt sich dank 3D-gedruckter Halterungen sehr unkompliziert am V10 befestigen. Die Daten werden per spezieller App direkt auf ein Smartphone übertragen – das beschleunigt die Analyse. Als Greg Minnaar in Andorra mit dem längeren Hinterbau rumexperimentiert hat, wurde beispielsweise das System für einige Abfahrten montiert – schnell zeigte sich, dass sich durch das lange Heck das Gewicht weiter nach vorne verschiebt, weshalb ein höherer Luftdruck in der Gabel nötig war. „Das System ist wirklich gut und hilfreich – naja, außer wenn Greg im Trainingslauf stürzt, die Sensoren verbiegt und $ 1.000 in den Wind schießt … ”
Geht es um die Laufräder, dann kommt Jason Marsh gar nicht aus dem Schwärmen heraus: Die Laufräder würden bis dato überragend halten und seien einer der Hauptgründe, weshalb sich das V10 von Greg Minnaar so gut fahre. Das Santa Cruz Syndicate setzt auf eine Kombination aus den hauseigenen Reserve DH-Felgen und den nicht minder edlen Chris King ISO-Naben. Die 29″-Felgen bestehen aus Carbon, haben eine Innenbreite von 31 mm – und anscheinend sei Greg Minnaar nun schon seit der Qualifikation in Fort William, also einem Großteil der Saison, auf denselben Laufrädern unterwegs. Für das Rennen in Les Gets war die Maxxis-Kombination aus seinem persönlichen Signaturen-Modell Assegai vorne und Minion DHR II hinten montiert – ein bevorzugtes Reifen-Setup hat Greg Minnaar allerdings nicht, sondern passt die Reifen immer an die Gegebenheiten an. Eine Konstante dabei ist die ZK-Karkasse der Maxxis-Reifen: Diese verfügen im Vergleich zu regulären Downhill-Reifen über eine verstärkte Seitenwand, was zwar das Gewicht erhöht, gleichzeitig aber auch die Pannenanfälligkeit reduziert.
Was im Inneren der Reifen passiert, ist streng geheim. Die Reifendrücke würden irgendwo im normalen Bereich liegen und an die jeweiligen Streckenverhältnisse angepasst und ob im Inneren der Reifen ein Insert zum Einsatz kommt, wird mit einem „I don’t know!” mitsamt unwissend-unschuldigem Gesichtsausdruck beantwortet. Eigentlich soll die verstärkte Maxxis ZK-Karkasse dafür sorgen, dass man auf Insert verzichten kann, doch uns würde es nicht wundern, wenn das V10 von Greg Minnaar mit einem der zahlreichen Systeme bestückt ist – zumal das Gewicht sowieso keine besonders große Rolle spielt. „Ein geringes Gewicht hat für uns keine hohe Priorität und immer, wenn wir versuchen, irgendwie Gewicht zu sparen, dann geht das eher schief. Das Rad sollte solide und zuverlässig sein. Außerdem denke ich, dass es schwieriger ist, das Fahrwerk richtig einzustellen, wenn das Fahrrad zu leicht ist. Nein, halt: Greg denkt, dass es schwieriger ist, das Fahrwerk richtig einzustellen, wenn das Fahrrad zu leicht ist!”
Bei vielen anderen Fahrern ist es nicht unüblich, dass sie spezielle Laufräder nur für den Renneinsatz bekommen. Jason Marsh und Greg Minnaar halten von diesem Ansatz nichts – das Bike muss immer so perfekt wie nur möglich sein, egal ob für einen Trainings- oder einen Rennlauf. Deshalb werden aus den Naben die Dichtungen entfernt und sie werden mehrmals am Rennwochenende gereinigt. Das sorgt in Kombination mit ein paar Tropfen Öl für sich extrem gut drehende Laufräder. Marshy erinnert sich an die Zeiten zurück, wo die Fahrer für den Rennlauf extra einen Skinsuit angelegt haben: „Im Training sind alle in normalen Klamotten gefahren, im Finale dann im Skin Suit – und dann wundern sich alle, dass sie im Finale die Kurven nicht erwischen und sich verbremsen … Ich versuche, das Bike von Greg für jeden Lauf so gut wie möglich zu haben, egal ob Training oder Finale.” Was Greg an seinem Santa Cruz V10 29 am wichtigsten ist? Alles – das Bike muss perfekt sein!
Zu einem perfekten Bike gehören nicht nur schnell rollende Laufräder und ein penibel eingestelltes Fahrwerk, sondern natürlich auch zahlreiche weitere Anbauteile. Das Cockpit stammt ebenso wie die Carbon-Sattelstütze komplett aus dem Hause Burgtec: Der Direct Mount-Vorbau misst 50 mm Länge, der Burgtec Ride Wide Carbon-Lenker ist 800 mm breit. Weil die Burgtec Lock On-Griffe keinen Klemmring außen haben und jeweils 7,5 mm überstehen, ergibt sich eine Gesamtbreite von 815 mm. Die Hebel der Shimano Saint-Bremsen sind weder besonders steil noch besonders flach eingestellt. Je nach Strecke wird deren Position genauso wie die Cockpit-Höhe aber individuell angepasst.
Für die positive und negative Beschleunigung sind Komponenten der Shimano Saint-Reihe verantwortlich. In Zeiten von 220 mm großen Bremsscheiben wirken die 203 mm-Scheiben, die Greg Minnaar an seinen Saint-Bremsen fährt, fast schon klein. Auch beim Antrieb vertraut Greg Minnaar auf Saint-Komponenten: Das 36 Zähne große Kettenblatt wird von einer Saint-Kettenführung geschickt, bei den Pedalen setzt er auf die beliebten Crankbrothers Mallet DH, bei denen die Pins nahezu komplett reingedreht sind.
Wenn ein Fahrer in die Pits kommt und sagt ‘Mein Fahrrad fühlt sich furchtbar an und ich kann heute nicht Fahrrad fahren’, dann ist das nicht besonders hilfreich. Greg ist das genaue Gegenteil: Er weiß alles ganz genau.
Schaut man sich das XL-Schlachtschiff von Greg Minnaar noch länger an, entdeckt man einige spannende Details. Alle Schraubverbindungen sind mit kleinen Farbtupfern versehen – so sieht Marshy auf Anhieb, ob alle Schrauben korrekt angezogen sind. „Ich habe mir vor kurzem ein altes Factory MX-Bike gekauft und das dort entdeckt – die Idee fand ich sehr cool!”. Nur an den Bremsen kommt keine Farbe zum Einsatz: Hier besteht die Gefahr, dass sich die Farbe durch die entstehende Hitze verflüssigt und die Bremsbeläge kontaminiert. Ein weiteres für den Renneinsatz praktisches Detail sind die komplett außenverlegten Züge. Vor einigen Jahren hat Greg Minnaar beim Saisonfinale in Val di Sole unmittelbar vor der Qualifikation seinen Rahmen zerstört. Innerhalb kürzester Zeit musste ein neues Bike für ihn aufgebaut werden. Infolgedessen hat sich sein Mechaniker entschieden, alle Leitungen außen zu verlegen. „Wenn man sich ein privates Bike aufbaut, macht man sich einmal die Mühe und es sieht toll aus. Aber an einem Race Bike ist unsere Lösung praktischer!”
Bleibt am Ende die Frage, ob das aktuelle Santa Cruz V10 29 das schnellste Bike ist, das Greg Minnaar jeweils hatte. Vergleicht man das jetzige 29″-Rennschiff mit den deutlich kleineren Bikes, auf denen der G.O.A.T. früher unterwegs war, dann müsste die Antwort eindeutig ausfallen – es scheint so, als ob er erst zum Ende seiner mehr als beeindruckenden Karriere endlich das ihm richtig passende Bike mit der für ihn passenden Laufradgröße hat. Doch sein Mechaniker ist sich sicher, dass es zumindest noch ein schnelleres Bike auf dem Planeten gibt: „Ich fahre Gregs Bike aus der letzten Saison – und im Gegensatz zu ihm habe ich Cross Country-Reifen montiert!”
Wie gefällt euch das Santa Cruz V10 29 von Greg Minnaar?
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