Für die klimafreundliche Energiewirtschaft braucht Deutschland ein überregionales Wasserstoffnetz. Es sind zwar teilweise regionale Netze vorhanden, aber ein bundesweites Netz muss noch aufgebaut werden. Neben neuen Pipelines sollen dafür auch bestehende Erdgasleitungen umgerüstet werden.
Ein überregionales Wasserstoffnetz soll in Deutschland entstehen.
Foto: PantherMedia / aaw
Immer häufiger wird vom Wasserstoff geredet. Die Schlagzeilen sprechen für sich – als künftige Energiequelle ist Wasserstoff nicht mehr wegzudenken. Schließlich verbindet man mit dieser Energiequelle große Hoffnungen für eine klimafreundliche Energiewirtschaft.
So wollen Deutschland und Norwegen beispielsweise die Grundlagen für bedeutsame Wasserstoff-Importe schaffen, entsprechende Gespräche über die möglichen Kooperationen laufen derzeit. Um Wasserstoffimporte aus Norwegen voranzubringen, reist Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anfang Januar in dieses Land. Norwegen könnte bis 2030 Deutschland mit Wasserstoff versorgen, dafür muss man aber die notwendige Infrastruktur von Norwegen nach Deutschland bereitstellen.
Apropos Infrastruktur: Wenn Wasserstoff in Stahlwerken Kohle und in Gaskraftwerken Erdgas ersetzten und Wasserstoff eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 spielen soll, braucht die Energiewirtschaft entsprechende Wasserstoffnetze. Und zwar bundesweit.
Bereits 2020 hatte das Wirtschaftsministerium eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ entworfen, darin wurden Maßnahmen für den weiteren Ausbau der Wasserstoffwirtschaft vorgelegt. Es ging um die Verfügbarkeit, den Ausbau der Infrastruktur und die Verwendung von Wasserstoff. Im November 2022 wurde der Entwurf fortgeschrieben. Dabei standen vor allem die künftigen Netze im Vordergrund: „Für den Markthochlauf ist – neben der Verfügbarkeit von Wasserstoff – ein vorausschauender und zügiger Aufbau einer Terminal-, Netz- und Speicherinfrastruktur für Wasserstoff unerlässlich“.
Geplant sei demzufolge auch eine Netzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung. Nach Angaben der dpa soll diese Gesellschaft mittelfristig die bisherigen Wasserstoffleitungen sowie umzunutzende Erdgasleitungen erwerben und für den weiteren Ausbau sorgen.
Allerdings hat die Energiewirtschaft die Pläne, eine staatliche Netzgesellschaft zu gründen, eher kritisch eingeordnet. „Hier sind die etablierten privatwirtschaftlichen Akteure sicher deutlich effizienter und schlagkräftiger aufgestellt, das heutige Erdgasnetz zügig in ein Wasserstoffnetz zu wandeln“, kommentierte Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbandes Zukunft Gas. Eine staatliche Wasserstoffnetzgesellschaft werde sicher nicht zu einer Beschleunigung führen.
„Der Bund sollte weder Bau und Betrieb noch die Wartung eines Wasserstoffnetzes übernehmen“, sagte auch Katherina Reiche, die Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrats und die Vorstandsvorsitzende des Energiedienstleisters Westenergie. „Vielmehr soll er sich auf das Subsidiaritätsprinzip besinnen“, zitiert dpa ihre Worte.
Noch vor ein paar Tagen gab es Berichte, dass der Industriegase-Konzern Air Liquide sein Wasserstoff-Netzwerk im Ruhrgebiet erweitert hat. Dabei ging es um eine neue, vier Kilometer lange Pipeline, die den Standort von Thyssenkrupp Steel in Duisburg anbindet.
„Mit der jetzt durch unseren Partner Air Liquide fertiggestellten Pipeline schaffen wir weitere Fakten. Durch sie kann ab 2024 klimafreundlicher Wasserstoff zu uns geliefert werden. Wir werden ihn zu Forschungs- und Simulationszwecken und dann vor allem zur Versorgung unserer ersten Direktreduktionsanlage benötigen“, wurde Bernhard Osburg, CEO von Thyssenkrupp Steel zitiert.
Dabei handelt es sich um ein Wasserstoff-Fernleitungsnetz von Air Liquide an Rhein und Ruhr, das dann insgesamt 200 Kilometer umfasst. Durch Pipelines werden Wasserstoff-Produktionsanlagen und Großkunden in Marl, Oberhausen, Duisburg, Krefeld, Leverkusen, Dormagen, Düsseldorf und weiteren Städten in der Region verbunden.
Es gab auch Berichte über den Fernleitungsnetzbetreiber ONTRAS, der mit Arbeiten am Wasserstoffnetz in Mitteldeutschland beginnt. So hat die ONTRAS Gastransport GmbH für seine im IPCEI Wasserstoff eingereichten Infrastrukturprojekte „doing hydrogen“ und „Green Octopus Mitteldeutschland“ die Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmenbeginns vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erhalten.
„Wir freuen uns, mit den konkreten Arbeiten am H2-Startnetz beginnen zu können. Ein funktionierendes Transportsystem ist Fundament für die Wasserstoffwirtschaft in Mitteldeutschland – und damit für das Gelingen der Transformation unseres Energiesystems“, kommentierte Ralph Bahke, ONTRAS-Geschäftsführer Steuerung und Entwicklung. Durch die Umstellung der bestehenden Erdgasleitungen soll bis 2030 ein über 900 Kilometer langes Leitungsnetz errichtet werden.
Ein weiteres Beispiel: Creos Deutschland ist mit seinem Wasserstoff-Projekt „mosahyc“ (Moselle-Saar-Hydrogen-Conversion) eine Partnerschaft mit dem Wasserstoff-Netzwerk „Flow“ eingegangen. Damit will Creos in den 2030er Jahren „Flow“ mit dem französischen Wasserstoffnetz verbinden und eine eigene Wasserstoffinfrastruktur im Osten von Rheinland-Pfalz aufbauen.
GASCADE Gastransport GmbH, ONTRAS Gastransport GmbH und terranets bw GmbH wollen mit „Flow“ ein Pipelinesystem für klimaneutralen Wasserstoff schaffen, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung. Das System soll in drei Schritten von der Ostsee bis in den Südwesten Deutschlands verlaufen. Geplant sei, 2025 erste großdimensionierte Leitungen für Wasserstofftransporte umgerüstet zu haben. Damit können „signifikante Mengen aus Mecklenburg-Vorpommern bis Thüringen transportiert werden“. Die Umstellung in Hessen und Rheinland-Pfalz ist für 2028 geplant. Dann kann Wasserstoff ab 2030 nach Baden-Württemberg und Bayern transportiert werden. „Der Vorteil von „Flow“ – making hydrogen happen liegt in der schnellen Realisierbarkeit durch die Umstellung von Erdgasleitungen. So erreichen wir im Verbund eine große Transportkapazität von Norddeutschland bis in den Süden, auf die sich der Markt in seinen Planungen einstellen kann“, kommentierte terranets bw – Geschäftsführerin Katrin Flinspach.
Ein erstes überregionales Netz soll, Medien zufolge, im Rahmen eines europäischen Förderprogramms entstehen. Wie die dpa berichtet, existieren bereits jetzt Pläne für den Aufbau eines überregionalen Wasserstoffnetzes. Dafür sollen 62 Wasserstoff-Projekte jeweils als „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) eine Förderung erhalten. Bei 15 von ihnen gehe es um die Infrastruktur einschließlich Speicher.
Rechnet man alle Projekte zusammen, kommen die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) bis 2027 bundesweit auf ein aus Teilnetzen bestehendes Wasserstoffnetz mit einer Gesamtlänge von rund 3000 Kilometern. In einer Modellierung für 2032 geht es um die Leitungslänge von 7600 bis 8500 Kilometern.
Ein Beitrag von:
Alexandra Ilina
Content-Managerin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs. Sie schreibt über Karriere und Technik.
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