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Stuttgart – Buddy Guy, mit dem die lange Nacht mit Blues und Rock-Musik ausklingen wird, kennt Beth Hart von gemeinsamen Auftritten. Am frühen Abend, als die Sonne noch auf den Ehrenhof des Neuen Schlosses scheint, kommt sie mit ihrer eigenen Band auf die Bühne. Mit hochhackigen Schuhen, einem golden schimmernden Minirock, einem freizügigen Top und bunten Tattoos auf verschiedenen Körperstellen sieht sie aus wie der Fleisch gewordene Traum zahlreicher Lastwagenfahrer. Einen „Fat Man“, besingt die 37-Jährige zuerst, und die mit dem Wah-Wah Pedal verzerrten Klänge des E-Gitarristen Bob Marinelli durchschneiden die Luft, während der E-Bass stoisch marschiert und der Drummer einen knallharten Groove in Szene setzt. Harts Stimme ist derart stark und präsent, dass Konzertbesucher, die sich noch an den Ständen mit Bier versorgt haben, auf den Platz streben, um ja nichts zu verpassen. „My Baby Shot Me Down“ singt sie jetzt, und ein heiserer Schrei, für den auch Joe Cocker sich nicht hätte schämen müssen, kommt ihr über die Lippen.
Ein Kind von Traurigkeit ist Beth Hart gewiss nicht, aber eine begnadete Rock-Sängerin. Kein Wunder, dass die drogenerfahrene Dame ausgewählt wurde, um die Rolle der Janis Joplin im gleichnamigen Musical zu spielen. Die Rockband swingt so gut sie kann und begleitet die Rampensau, wie es so unschön heißt, die sich auf den Bühnenrand gesetzt hat. Ihre starke Stimme klingt auf einmal warm und zärtlich, als sie ihren „Baddest Blues“ singt, eine träge rollende Nummer, bei der die Band wieder in ihrem Milieu ist. Die knapp sechstausend Besucher wissen das zu würdigen, applaudieren lautstark, holen sich noch ein Bier und freuen sich auf Steve Winwood.
Der setzt sich hinter seine geliebte Orgel und lässt sie seufzen und stöhnen. Der Trip in die Vergangenheit kann beginnen. Über dem brodelnden Rhythmus eines Schlagzeugers und eines Perkussionisten singt Winwood, zu dem man nicht mehr Stevie sagen soll, „I’m a Man“, die Nummer, die er vor 50 Jahren für die Spencer Davis Group geschrieben hat und die zwei Jahre später von der Brass-Rock-Formation „Chicago“ gecovert wurde. Winwood singt druckvoll und mit heller Stimme wie einst im Mai; auch wenn die etwas an Glanz eingebüßt hat, strahlt sie doch jede Menge Soul aus. E-Gitarrist José Neto begeistert mit einem Solo und wird von den tauchsiederheißen Saxophonklängen des Paul Booth abgelöst, der das Keyboard bedient, als Winwood zu seiner mintgrünen Fender-Gitarre greift. Mit unverwechselbaren Stimme singt er die Balladen „Can’t Find My Way Home“ und „Had To Cry Today“ aus den seligen Zeiten von Blind Faith und Traffic. „Vintage music“, nennt er selber das, und die Älteren im Publikum denken wehmütig an ihre Jugendzeit, während die Jüngeren sich wünschen, sie hätten diese wild bewegten Zeiten der 60er- und 70er-Jahre selbst erlebt. Natürlich ist dieses Konzert eine Nostalgieveranstaltung, aber es hat Strahlkraft genug, Menschen zu begeistern, die diese Songs noch gar nicht kennen. „Gimme Some Lovin“, die alte Nummer von 1966 mit der passenden Verszeile „So glad we made it, and it happened to you“, rocken Steve Winwood und seine vier Kollegen am Ende den Platz. Bühne frei die Blues-Legende Buddy Guy.
Der schlendert locker herein mit seiner Schiebermütze, leuchtend rotem Hemd, weiter weißer Hose und schwarzen Turnschuhen der Marke Puma. Im Arm hält er eine Fender, ein Einzelstück, das seinen Namen trägt. So nimmt die Blueslegende aus Chicago breit grinsend die Ovationen entgegen, ohne einen Ton gespielt zu haben. Dann greift er seiner Signature-Gitarre kräftig in die Saiten, und die Band schiebt einen unwiderstehlichen Rhythmus an, durchblendet von den messerscharfen Riffs des Meisters. „The guitar guy“, wie sie ihn in seiner Heimat nennen. Der zeigt mit seinen knapp 81 Lenzen keinerlei Anzeichen von Gebrechlichkeit, im Gegenteil: Einmal kokettiert er damit, Lover einer Neunzehnjährigen zu sein, und bei einer anderen Nummer besingt er eine „Sweet Sixteen“. Der Mann hat Humor. Und eine kraftvolle helle und rauchige Bluesstimme. Als der alte Standard „Hoochie Coochie Man“ von Willie Dixon ertönt, toben die Leute. „Genau so muss Blues klingen!“, schreit einer. Ein anderer: „Hey, einfach nur geil.“ Für manche ist die Tonanlage allerdings so laut eingestellt, dass sie schier Beklemmungen bekommen.
Buddy Guy ficht das nicht im Mindesten an, er liebt solche Auftritte, macht seine Späßchen und imitiert berühmte Gitarristen. Zunächst die Vorbilder John Lee Hooker und B. B. King, aber mit Eric Clapton („Strange Brew“) und Jimmy Page („Whole Lotta Love“) auch junge Briten, die vor 50 Jahren von ihm inspiriert wurden. Als er dann die Saiten mit den Zähnen anreißt, auf dem Rücken spielt und das Wah-Wah-Pedal drückt, weiß jeder, dass jetzt Jimi Hendrix an der Reihe ist. Lachend quittiert es das Publikum. Beim alten „Steel Mill Blues“ aber spüren die Menschen die ernste Seite des Blues und lauschen andächtig diesem Bluesmusiker, dem Muddy Waters kurz vor seinem Tod als letzten Wunsch aufgetragen hatte: „Buddy, keep the damn blues alive.“