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Cannondale SuperSix EVO CX im Test: Das legendäre Cannondale SuperSix Straßen-Rennrad bekam Ende letzten Jahres Ableger: Das SuperSix EVO CX löst das SuperX als Top-Maschine im CX-Bereich der amerikanischen Bikeschmiede. Es soll nicht nur mit schmalen Cyclocross-Reifen eine gute Figur abgeben, sondern auch in Form des SuperSix EVO SE-Modells auf den Gravelpisten dieser Welt schnell vorankommen. Wir haben das CX-Modell ins Gelände und auch auf die Rennstrecke jagen können und präsentieren euch den Test des neuen Flitzers aus dem Hause Cannondale!
Der Spagat zwischen den Disziplinen Cyclocross und Gravel treibt aktuell die Hersteller in der Szene wie kaum ein anderes Thema um: Das Gravel Bike wird bei den Kund*innen aktuell besonders nachgefragt. Parallel dazu wächst in diesem Bereich die Rennszene, die mit der Einführung einer Gravelweltmeisterschaft im kommenden Jahr ein erstes vorläufiges weltweites Highlight erhält. Auf der anderen Seite ist der Cyclocross-Bereich keineswegs tot und sorgt im Anbetracht der Rückkehr von Mathieu van der Poel, Tom Pidcock und Co. auf die Rennstrecke weiterhin für weltweite Begeisterung. Umso mehr rücken Konzepte der Hersteller in den Fokus, die beide Welten vereinen und zum Rundumschlag mit dem Ziel der eierlegenden Wollmilchsau ausholen.
Wie auch Specialized mit seinem neuen Gravel- und CX-Modell Crux wagt sich Cannondale mit dem SuperSix EVO an diese Herausforderung und stellt, wie der Modellname vermuten lässt, den Rennsport dabei in den Mittelpunkt. Als Speerspitze in der Cyclocross-Modellpalette löst das neue SuperSix EVO CX das SuperX ab – der belgische CX-Publikumsliebling Tom Meeusen pilotiert es derzeit erfolgreich durch die großen Cyclocross-Rennserien.
Die gleiche Rahmenbasis nutzen die Amerikaner, um ihrem eher komfortorientierten Gravelbereich mit dem Supersix EVO SE ein neues High-End-Modell an die Spitze zu stellen. Unangetastet bleibt die Topstone-Gravel-Serie, die sich eher an Abenteurer und komfortorientierte Gravel-Fahrer*innen richtet. Wesentliche Features der neuen SuperSix EVOs sind eine optimierte Aerodynamik, eine an das SuperX-Modell angelehnte Geometrie nach dem bewährten OutFront-Prinzip und eine große Reifenfreiheit mit geringer Anfälligkeit für festhaftenden Dreck.
Konkret bedeutet dies, dass die Ingenieure von Cannondale nicht nur bei der Wahl des Namens versuchten, die bestehenden Konzepte aus dem Hause Cannondale beim neuen SuperSix EVO CX und SE zu vereinen. Tatsächlich wurde auch der Rahmen im Wesentlichen auf Basis des Straßenmodells entwickelt und angepasst (hier findet ihr unseren Test des Cannondale SuperSix): Aus Carbon gefertigt und sowohl auf Stabilität als auch auf Aerodynamik getrimmt, ist der neue SuperSix EVO CX/SE-Rahmen sogar etwas leichter als das Cyclocross-Vorgängermodell SuperX, er wiegt laut Cannondale rund 1000 Gramm in Rahmengröße 56. Die Gabel dagegen ist mit rund 400 Gramm etwas schwerer, soll sich aber durch eine höhere Steifigkeit auszeichnen. In puncto Aerodynamik konnten die Entwickler nach eigenen Angaben 95 Prozent der Effizienz des Straßenmodells SuperSix EVO übertragen bei zusätzlich erhöhter Stabilität für den Geländeeinsatz.
Als weitere Eigenschaft erbt das Gravel- und Cyclocrossmodell der SuperSix EVO-Reihe von den Straßenmodellen die komfortable Ausrichtung des Hinterbaus, der dank dünner Sitzstreben und gekröpfter Carbon-Sattelstütze ein besonders Maß an Schlägen absorbieren soll.
Zudem legten die Entwickler*innen besonders Wert auf eine große Reifenfreiheit des SuperSix EVO CX-Modells: Mit den maximal möglichen 33 Millimeter-Reifen im Cyclocross bleibt laut Cannondale noch einmal 13 Millimeter Raum pro Seite. Das ergibt auf dem Papier Platz für Pneus bis 50 mm Breite, bis 45 mm sind offiziell erlaubt. Im Cyclocross-Einsatz soll es letztlich dabei helfen, dass weniger Matsch am Rad haften bleibt. Ob dieses Feature mehr daraus resultiert, dass das disziplinübergreifende SuperSix EVO auch mit breiten Gravelreifen zurechtkommen muss, sei an dieser Stelle dahingestellt.
Die Ausstattung macht den Unterschied zwischen den beiden Geländevarianten des Cannondale SuperSix Evo – und es gibt tatsächlich auch nur 2 Modellvarianten. Das als Gravel Bike gedachte SuperSix EVO SE kommt mit der neuen SRAM Rival eTap 2×12 und 40 mm breiten Vittoria Terreno Dry TNT Reifen. Bis zu 45 mm Reifenbreite sind übrigens möglich. Das Cannondale SuperSix EVO CX setzt dagegen für den Renneinsatz auf eine mechanische betätigte SRAM Force 1×11 und Vittoria Terreno Mix TNT in klassischer Cyclocross Reifenbreite von 33 mm. Die mechanische SRAM Force 1×11 hat dabei dank der Gewichtsvorteile und des günsigeren Preises durchaus ihre Vorteile und ist unserer Meinung nach etwas zu Unrecht etwas ins Abseits geraten. Allerdings entspricht sie nicht ganz dem Preispunkt des Cannondale SuperSix EVO CX – hier sind eigentlich elektronisch schaltende Gruppen wie die SRAM eTap AXS oder Shimano Di2 die Regel.
Standardmäßig rollt das sportlich orientierte SuperSix EVO CX mit einem 40er-Kettenblatt und einer 11-36-Kassette vom Band. Bei den Laufrädern kommt eine Kombination aus DT-Swiss R470 db-Felgen und Formula-Naben zum Einsatz, beide eher im Mittelklasse-Bereich einzustufen. Weitere Anbauteile am Rad stammen größtenteils aus der hauseigenen Cannondale-Entwicklung, unter anderem auch die Sattelstütze Hollogram Knot in proprietärer Form mit „Abrisskante“. Sie konnte uns schon im Supersix Evo Straßenrad mit gesteigertem Komfort überzeugen. Bedeutet auch: Variostützen können nicht eingesetzt werden. Gebremst wird unterdessen mit der hydraulischen SRAM Force 1-Bremse und Bremsscheibendurchmesser von 160 Millimeter vorne und 140 Millimeter hinten.
Während sich die Rahmenform des SuperSix EVO CX/SE in seiner Grundkonzeption am bestehenden Straßenmodell der SuperSix-Reihe orientiert, erinnert die Ausrichtung der Geometrie sehr stark an jene des bisherigen Cyclocross-Topmodells SuperX. Einzig der Sitzwinkel wurde im Vergleich zum SuperX angepasst, je nach Rahmengröße fällt dieser nun zwischen 0,7° und 0,9° flacher aus. Im Konkreten besitzt das SuperSix EVO CX in Rahmengröße 56 jetzt einen Sitzwinkel von 73,5°.
Allgemein betont Cannondale die bewährte Funktionalität der Geometrie im Hinblick auf eine hohe Agilität, Fahrstabilität und Traktion: Wesentliche Merkmale sind dabei laut den Entwickler*innen kurze Kettenstreben (mit 422 Millimeter minimal kürzer als üblich) und das bewährte Cannondale OutFront-Prinzip im vorderen Bereich des Rades: OutFront beschreibt bei Cannondale den Ansatz, mittels mehr Gabelvorbiegung (55 Millimeter beim SuperSix EVO) den Schwerpunkt der Fahrerin beziehungsweise des Fahrers hinter dem Vorderrad zu halten und so die Fahrstabilität zu fördern. Ebenfalls dazu beitragen soll beim SuperSix EVO ein flacher Lenkwinkel von 71°. Insgesamt ergibt sich so trotz eines eher kürzeren Reachs von 385 Millimeter in Rahmengröße 56 ein verhältnismäßig langer Radstand von 1034 Millimeter.
Zum Vergleich: Canyon schickt sein Top-Crosser Inflite bei Rahmengröße M mit einem Lenkwinkel von 72,5°, einem Reach von 393 Millimeter und einem Sitzwinkel von 73,5° auf die Rennstrecke, was letztlich in einem deutlich kürzeren Radstand als beim SuperSix EVO von 1018 Millimeter resultiert. Das Specialized Crux kommt ebenfalls mit einem größeren Reach daher (397 Millimeter, Rahmengröße 56), aber einem steileren Lenkwinkel von 72° und einem Gabeloffset von 50 Millimeter, sodass das Crux letztlich auf einen fast identischen Radstand (1033 Millimeter) im Vergleich zum SuperSix EVO kommt – zum tiefer Einsteigen: Hier findet ihr einen ausführlichen Geometrievergleich des Cannondale SuperSix Evo CX mit populären Wettkampf-Cyclocross-Bikes.
Das SuperSix EVO macht auf den ersten Metern in den Pedalen seinem Namen alle Ehre: Nicht nur auf dem Papier ähnelt das Rad dem Pendant der Straßenversion sehr stark, auch in der Praxis sind Flashbacks zum klassischen Straßenrenner an der Tagesordnung. Die Position auf dem SuperSix EVO ist aufgrund des abgeflachten Sitzwinkels, des kurzen Steuerrohres und des zusätzlichen Setbacks der Sattelstütze eher gestreckt und der Schwerpunkt liegt verstärkt auf dem Hinterrad. Insbesondere im Vergleich zu anderen Crossrädern wie dem Canyon Inflite macht sich dies besonders bemerkbar.
Das SuperSix EVO neigt jedoch keineswegs zu Extremen in dieser Hinsicht, sodass sich in Kombination mit dem Steuerrohr von 153 Millimeter eine einerseits sportliche und andererseits kontrolliert-komfortable Sitzposition ergibt. Vor allem im Vergleich zu anderen Cyclocross-Rädern ist ein Unterschied in Bezug auf Höhe des Cockpits zu spüren, zusätzliche Spacer unter dem Vorbau können diesen Effekt sogar noch verstärken. Das Steuerrohr ist jedoch keineswegs so lange, dass der von Rennfahrer*innen geliebte Druck auf dem Vorderrad fehlen würde.
Das Rad wurde für die Rennstrecke im Cyclocross- und Gravelbereich entwickelt und erwartungsgemäß fällt auch die Position auf dem Rad aus: kurzum, ein ziemlich idealer Mix aus Sportlichkeit und Aerodynamik mit dem nötigen Maß an Kontrollierbarkeit.
Aber nicht nur aufgrund der sehr gelungen Positionierung auf dem Rad macht das SuperSix EVO CX im Trainings- und Renneinsatz eine gute Figur: Insbesondere aufgrund seines langen Radstands, des längeren Gabeloffsets und des flachen Lenkwinkels bringt den Cannondale-Flitzer nichts so schnell aus der Ruhe. Egal, ob unangenehme Dellen in Wiesen, Wurzeln auf einem Trail oder leichte Schläge auf Asphalt, das SuperSix EVO CX rollt verhältnismäßig mühelos über Hindernisse – und das auch bei höheren Geschwindigkeiten. Auch im Vergleich zu anderen Cyclocrossern, die ich schon gefahren bin, kann sich das SuperSix EVO in dieser Hinsicht etwas absetzen. Zusätzlich leistet die Hollowgram Knot-Sattelstütze ganze Arbeit und versorgt die Pilotin bzw. den Piloten des Rades mit einer spürbaren Dämpfung der Schläge, die so auch an nicht jedem Gravel- oder CX-Rad wiederzufinden ist.
Der Zugewinn an Laufruhe im Vergleich zu anderen Cyclocrossern geht jedoch gleichzeitig mit etwas negativen Einflüssen in Bezug auf die Wendigkeit und Agilität einher. Der längere Radstand und flachere Lenkwinkeln erfordern etwas mehr Lenkeinsatz bei engen Kurven als bei manchen Konkurrenzprodukten. Im Antritt spielt das SuperSix EVO jedoch in einer Liga mit den Größen des Marktes, was sich insbesondere auf die kurzen 422 Millimeter-Kettenstreben zurückführen lässt. Auch etwaige Befürchtungen über ein steigendes Vorderrad in steilem Gelände können wir größtenteils ausräumen: In steilem Gelände wurde im Testalltag eher die Übersetzung des Antriebs zum Problem als ein mögliches steigendes Vorderrad. Dennoch hilft es insbesondere in steilem (griffigen) Gelände weit auf dem Sattel nach vorne zu rutschen, um möglichst viel Vortrieb zu erreichen. Durch die gekröpfte Sattelstütze in Kombination mit dem flachen Lenkwinkel rückt der Schwerpunkt auf dem Rad in derartigen Passagen weit nach hinten, sodass die Kraftübertragung gemindert ist. Das Ausweichen auf eine Sattelstütze ohne Setback wäre eine mögliche Alternative, wobei man jedoch auf die verfügbaren Hollowgram Varianten angewiesen ist.
Allgemein lässt sich festhalten: Das SuperSix EVO CX mag höhere Geschwindigkeiten etwas lieber als geringere, was sich angesichts der großen Bandbreite des Rades bis hin zum Gravelbereich leicht erklären lässt. Dennoch ist es keineswegs träge oder unflexibel, was insbesondere auch der Test im Renneinsatz bestätigte.
Als Rad für die Rennstrecke im Gravel- und Cyclocrossbereich geht das SuperSix EVO CX/SE unmittelbar in Konkurrenz mit dem neuen Specialized Crux. Andere Cyclocross-Modelle auf dem Markt sind meist auf den Rennsport mit schmalen Geländereifen spezialisiert, sodass sich leichte Änderung in Bezug auf die Grundkonzeption ergeben.
Ein Racebike für die Rennstrecke im Gravel- und CX-Bereich? Was zunächst nach der Suche nach der berühmt-berüchtigten „eierlegenden Wollmilchsau“ anmutet, gelingt Cannondale mit dem neuen SuperSix EVO CX ziemlich gut. Die aus dem Cyclocross-Bereich bewährte Geometrie mit leichten Mountainbike-Genen bietet ein hohes Maß an Laufruhe und ermöglicht viel Kontrolle. Sie ist zudem ein relatives Alleinstellungsmerkmal und dürfte für Fans ein klarer Kaufgrund sein. Auch der hohe Komfort des Rades hebt es heraus und sorgt zusammen mit der stimmigen Ausstattung für eine breite Abdeckung der Anforderungen auf Schotter, Wiesen und Trails – als echter Allrounder wäre das EVO SE allerdings der bessere Tipp. Ein „Schnapper“ ist das Cannondale SuperSix EVO in beiden Varianten aber nicht.
Was haltet ihr vom Cannondale SuperSix EVO CX?
Testablauf
Hier haben wir unsere Fahreindrücke gesammelt:
Hannebambl
dabei seit 03/2014
Fotos Videos
lakecyclist
dabei seit 10/2018
Fotos Videos
Zeelandmichel
dabei seit 10/2017
Fotos Videos
lakecyclist
dabei seit 10/2018
Fotos Videos
unsolizited
dabei seit 09/2011
Fotos Videos
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