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Canyon Strive CFR 2023 im ersten Test: Das neue Canyon Strive CFR soll als waschechtes Race-Bike Siege in der Enduro World Series einfahren, aber auch auf den heimischen Trails überzeugen. Dafür kommt das 29″ Carbon-Enduro mit 170 mm Federweg an der Front und 160 mm am Heck. Ihr wollt wissen, wie sich das Strive CFR auf den Trails schlägt? Hier gibt’s unseren Ersteindruck.
Als das „alte“ Canyon Strive im Herbst letzten Jahres mit Jack Moir seinen größten Triumph, den Gesamtsieg in der Enduro World Series, einfuhr, waren die Tage des Enduro Bikes bereits gezählt. Der gründlich überarbeitete Nachfolger scharrte bereits mit den Hufen – und wird jetzt der Öffentlichkeit präsentiert.
Das neue Canyon Strive CFR unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht signifikant von seinem Vorgängermodell und behält dessen grundlegende Rahmenform bei. Hinter den Kulissen hat sich allerdings einiges getan. So wurden Geometrie und Steifigkeit optimiert und der Federweg aufgestockt. Dieser liegt nun bei 160 mm am Heck und 170 mm an der Front. Treu geblieben ist Canyon den 29″-Laufrädern und der einzigartigen Shapeshifter-Technologie. Wir hatten bereits die Möglichkeit, das neue Canyon Strive CFR 2023 für zwei Tage in Finale Ligure auszuprobieren. Unser Testbike in Größe M bringt 15,84 kg auf die Waage und ist für einen Preis von 6.299 € erhältlich.
Auch wenn ein Laie auf den ersten Blick das 2019er und das 2023er Canyon Strive für ein und dasselbe Bike halten könnte, unterscheiden sich die Enduro Bikes in zahlreichen Punkten voneinander. Das neue Strive ist deutlich mehr in Richtung Race getrimmt und kommt mit diversen Änderungen, die für noch mehr Speed auf der Rennstrecke sorgen sollen, daher. Basis für die Neuerungen haben ausgiebige Tests mit den Fahrern des Canyon Collectives rund um Jack Moir und Fabien Barel gebildet. Der Input von der Enduro-Rennstrecke wurde von den Ingenieuren übernommen und ist direkt in die Entwicklung der Rennmaschine eingeflossen. So finden sich Anpassungen des 2021er Race-Bikes durch das Team im neuen Strive nahezu unverändert wieder.
Dazu zählen der Spacer unterhalb des Steuerrohrs, der einen flacheren Lenkwinkel ermöglicht, sowie das Verbauen eines Dämpfers mit längerem Hub, um mehr Federweg aus dem Rahmen herauszuholen. Beim neuen Strive sind diese vom Team erprobten Änderungen selbstverständlich nicht mehr nötig. Das neue Canyon Strive kommt ab Werk mit 160 mm Federweg am Heck und einem extraflachen Lenkwinkel von 63°.
Zusammen mit dem Aufstocken des Dämpfer-Hubs wurde auch die Kinematik des Strives angepasst. Die ersten zehn Millimeter des Federwegs sollen jetzt deutlich feinfühliger ausfallen, während ganz nach dem Konzept der Triple-Phase-Suspension im Anschluss ein Bereich mit mehr Gegenhalt und schließlich eine hohe Endprogression folgt. Der Anti-Squat wurde im Sag-Bereich zugunsten der Uphill-Eigenschaften angehoben und fällt danach stark ab. Dies soll Pedalrückschlag minimieren. Das neue Canyon Strive ist sowohl mit Stahlfeder- als auch mit Luftdämpfer kompatibel. Beide aktuell angebotenen Ausstattungsvarianten setzten allerdings auf einen Fox Float X2-Luftdämpfer.
Ebenfalls mit von der Partie und einen gewaltigen Einfluss auf die Fahr-Performance hat das absolute Alleinstellungsmerkmal des Canyons Strives: der Shapeshifter. Diese in Zusammenarbeit mit Fox entwickelte Gasdruckfeder verändert per Knopfdruck die Geometrie und die Kinematik des Carbon-Bikes. So soll aus dem auf Abfahrt getrimmten Race-Bike in sekundenschnelle eine trailige Bergziege werden. Durch die Betätigung des oberhalb des Dämpfers positionierten Shapeshifters reduziert sich der Federweg von 160 mm auf 140 mm. Lenkwinkel und Sitzwinkel werden jeweils um 1,5° steiler und das Tretlager wird um 15 mm angehoben. Zusätzlich erhöht sich der Anti-Squat und das Hebelverhältnis wird reduziert. Dadurch soll das Strive in diesem Modus nicht nur deutlich besser klettern, sondern auch in flachen Trail-Abschnitten durch Pushen und eine erhöhte Wendigkeit brillieren. Das alles lässt sich bequem von der Fernbedingung am Lenker aus steuern.
Auch am Rahmen selbst wurde gründlich optimiert. So sorgen überarbeitete Rohrquerschnitte für einen um 25 % steiferen Hauptrahmens, während die Hinterbau-Steifigkeit zugunsten des Komforts gleich geblieben ist. Zudem gibt es Änderungen im Bereich der unteren Dämpferaufnahme sowie des Übergangs zwischen Sitzrohr und Oberrohr, die ebenfalls der Steifigkeit zuträglich sind. Auch das Horstlink-Lager ist aus diesem Grund unter die Hinterrad-Achse gewandert. Das alles schlägt sich allerdings auch im Rahmengewicht nieder. Dieses fällt nun rund 300 g schwerer aus als beim Vorgängermodell und liegt inklusive Shapeshifter bei 2.700 g.
Obwohl Mullet-Bikes gerade heiß diskutiert werden und absolut en Vogue sind, hat sich Canyon dazu entschieden, das neue Strive lediglich mit 29″-Laufrädern anzubieten. Ausschlaggebend hierfür waren zahlreiche Tests, bei denen selbst kleinere Fahrer*innen mit dem 29″-Setup schneller unterwegs waren. Laut Canyon machen gerade im Enduro-Rennsport das bessere Überrollverhalten und die Kraftersparnis der 29er einen entschiedenen Vorteil gegenüber Mullet-Bikes aus.
Auch in der Detail-Checkliste setzt das neue Canyon Strive CFR souverän seine Häkchen. Das geschraubte Tretlager geht Hand in Hand mit einer ISCG-Aufnahme und SRAMs UDH-Schaltauge, während der Rahmen durch einen welligen, geräuschdämmenden Kettenstrebenschutz sowie einen großzügigen Unterrohr-Protektor bestens geschützt ist. Zudem ermöglicht genau wie beim Spectral (Hier geht’s zum Canyon Spectral Test) oder Torque eine zusätzliche Aufnahme am Oberrohr das Mitführen von Werkzeug oder Verschleißteilen in der eigens dafür konstruierten Tasche. Die Züge verlaufen im Inneren des Rahmens und werden dort von Schaumstoff-Hüllen umschlossen, die ein Klappern verhindern sollen.
Im Vergleich zum mittlerweile etwas in die Tage gekommenen Vorgänger hat sich die Geometrie des neuen Strives entschieden verändert. Neben dem deutlich flacheren Lenkwinkel und dem um das gleiche Maß steileren Sitzwinkel ist vor allem der Reach deutlich angewachsen. Dieser fällt mit satten 505 mm in Rahmengröße L ziemlich gewaltig aus. Treu geblieben ist Canyon den kurzen Kettenstreben, die über alle Rahmengrößen hinweg 435 mm messen.
Stellt man den Shapeshifter in das Pedal-Setting, so werden Lenk- und Sitzwinkel um 1,5° steiler und das Tretlager wird um 15 mm angehoben. Zudem kann man den Reach dank austauschbarer Steuersatzschalen bei Bedarf um ± 5 mm verstellen.
Aufgrund der großen Reach-Werte des neuen Canyon Strives ist es unserer Meinung ratsam, bei der Größenwahl gut abzuwägen, welche Größe genau die richtige ist – und nicht Blindlinks nach den Bezeichnungen zu kaufen. Mit meiner Körpergröße von 1,84 m fühle ich mich in der Regel auf L-Rahmen pudelwohl. Beim neuen Strive habe ich mich allerdings aufgrund des sehr langen Reachs für den etwas kompakteren M-Rahmen entschieden und war mit dieser Wahl während des Launches in Finale Ligure sehr zufrieden.
Canyon bietet das neue Strive lediglich als CFR-Variante in zwei Ausstattungsvarianten zum Kauf an. CFR steht für Canyon Factory Racing, was sich auch in den beiden angebotenen Modellen widerspiegelt. Die Bikes kommen mit einem Fahrwerk bestehend aus Fox 38-Federgabel und Float X2-Luftdämpfer. Die Antriebe und Bremsen liefert Shimano, während DT Swiss und Maxxis für Laufräder und Reifen zuständig sind. Bei Cockpit und Sattelstütze greift Canyon auf die hauseigene Komponenten-Marke G5 zurück. Preislich liegt das Canyon Strive CFR Underdog bei 4.999 €, während das Topmodell für 6.299 € über die Ladentheke wandert.
Das von uns getestete Canyon Strive CFR wurde abweichend zur Serie mit einem Maxxis DoubleDown-Reifen am Heck ausgestattet. Gerade im Hinblick auf den angedachten Einsatzbereich ist dies mit Sicherheit die richtige Wahl und sollte unserer Meinung nach bereits am Werk so konfiguriert sein. Gewichts-technisch rangiert das Canyon Strive CFR ohne Pedale mit EXO+ Reifen bei 15,84 kg.
Um für euch auszuprobieren, wie sich das neue Canyon Strive CFR auf den Trails schlägt, wurden wir von Canyon für zwei Tage auf die ikonischen Trails in Finale Ligure eingeladen. Nachdem ich das Bike in gewöhnlicher Manier an Gewicht und Vorlieben angepasst habe, muss noch der Shapeshifter eingestellt werden. Dies gestaltet sich allerdings denkbar einfach: Hierfür muss man die Gasdruckfeder schlicht und einfach mit dem gleichen Druck befüllen, den man auch in seinem Dämpfer fährt. Das Einzige, was es dabei zu beachten gilt, ist, dass der Shapeshifter sich beim Befüllen im ausgefahrenen Zustand, also im Pedal-Setup, befindet.
Auch wenn wir die meisten unserer Höhenmeter in Finale mit dem Shuttle-Bus zurückgelegt haben, blieben zumindest einige kurze Anstiege unseren Beinen überlassen. Hier kam direkt der Shapeshifter zum Einsatz. Die unter dem linken Bremsgriff montierte Multi-Remote verfügt über drei separat zu bedienende Hebel. Während die oberen beiden für das Ein- und Ausschalten des Shapshifters zuständig sind, bedient der untere die Variostütze. Was sich erst mal ein wenig umständlich anhört, funktioniert in der Praxis nach einer kurzen Eingewöhnungszeit allerdings spielend einfach und intuitiv.
Shapeshifter in den Pedal-Modus also – nach einem Klick auf den entsprechenden Hebel muss der Hinterbau kurz entlastet werden. Jetzt schnellt die Gasdruckfeder heraus und verändert blitzschnell Geometrie und Kinematik. Dies ist direkt und sehr deutlich spürbar. Das Heck ist nun entschieden straffer und der mit nun 78° sehr steile Sitzwinkel tut sein übriges für die Uphill-Performance. Das Bike wippt bei rundem Tritt praktisch nicht mehr und klettert zügig gen Gipfel. Gerade in technischen Sektionen ist außerdem das um 15 mm angehobenen Tretlager ein echter Segen. Dadurch muss man sich deutlich weniger Gedanken über Pedal-Boden-Kontakte machen. Dem Shapeshiter zum Trotz merkt man dem Strive bergauf sein solides Enduro-Gewicht an. Trotz Trail Bike-Federweg und -Geometrie im Pedal-Modus bekommt man hier nicht ganz die spritzige Trail Bike-Uphill-Performance.
Ist man am Trail angekommen und will es bergab ordentlich krachen lassen, betätigt man den zweiten Hebel der Shapeshifter-Remote und federt den Hinterbau einmal ordentlich ein. Dies fühlt sich dann so an, als hätte man sowohl Rebound- als auch Compression-Dämpfung komplett zugedreht und befördert den Shapeshifter wieder in den Downhill-Modus.
Hier überzeugt das neue Strive mit einem feinen Ansprechverhalten und generiert jede Menge Grip. Zudem hat man das Gefühl, sehr sicher und tief im Bike zu stehen. Auch wenn es ruppiger und schneller wird, hält der Hinterbau gut mit und generiert Laufruhe, ohne dabei zu viel Federweg freizugeben. Obwohl sich der Gummiring am Dämpfer gegen Ende der Abfahrten meist kurz vor Ende des Federwegs befand, musste ich in den zwei Tagen lediglich einen (durchaus verdienten) Durchschlag verkraften.
Ein sehr gutmütiges und übermäßig verzeihendes Baller-Enduro, mit dem man Downhill-like stumpf und ohne richtige Linie in Steinfelder reinhalten sollte, ist das neue Strive allerdings nicht. Vielmehr profitiert man an Bord des Race-Bikes von einer sauberen, kontrollierten und präzisen Linienwahl. Diesen aktiven Fahrstil belohnt das Strive und dessen effizienter Hinterbau mit jeder Menge Geschwindigkeit. Diese kann man dank des ausreichenden Gegenhalts des Hinterbaus durch gezieltes Pushen oder Abziehen auch in flachen Sektionen problemlos noch weiter steigern. Aufgrund des tiefen Tretlagers und der kurzen Kettenstreben lässt sich das Strive zudem einfach in Kurven legen und auch engere Kehren hat man schnell hinter sich gelassen. Keine schlechte Kombination für die Rennstrecke!
Ein kurzer Exkurs zur Reach-Anpassung: Diese wird über asymmetrische Steuersatzschalen erreicht und ermöglicht die Verstellung des Reachs um ± fünf Millimeter. Der von mir gefahrene M-Rahmen verfügt ab Werk über einen Reach von 480 mm. Nach einigen Fahrten bauten wir diesen auf 485 mm um, was für mich perfekt passte.
Je nach Beschaffenheit und Gefälle des Trails kann es sich zudem anbieten, auch hier in den Shapeshifter Modus zu schalten, um ein wenig agiler und spritziger unterwegs zu sein. Dies funktioniert vom Grundsatz auch ausgezeichnet. Mich persönlich stört allerdings die Dysbalance aus der nach wie vor recht weichen 170 mm Federgabel und dem dann wesentlich strafferen 140 mm-Heck. Gerade für Mountainbiker*innen in den Mittelgebirgen, deren Hometrails teilweise nicht wirklich eines Enduro-Bikes bedürfen, kann diese Option jedoch sehr praktisch sein
Canyon hat das Strive gründlich überarbeitet und noch mal ordentlich in Richtung Race getrimmt. Das neue Enduro Bike überzeugt mit jeder Menge Geschwindigkeit, Laufruhe und Kontrolle. Hiervon können gerade aktive und präzise Fahrer profitieren. Für passive Mountainbiker auf der Suche nach einer Bügelmaschine ist das Strive allerdings nicht ganz die richtige Wahl.
Alle anderen können sich derweil darüber freuen, dass man dank des einzigartigen Shapeshifter-Konzepts sozusagen gleich zwei Bikes zum Preis von einem bekommt. So eine Vielseitigkeit sucht man woanders vergebens. Aufpassen sollte man allerdings bei der Größenwahl. Mit 184 cm Körpergröße war ich aufgrund der üppigen Reach-Werte entgegen meiner Gewohnheit auf einem M-Rahmen unterwegs.
Wie gefällt euch das neue Canyon Strive CFR 2023?
Testablauf
Wir konnten das neue Canyon Strive CFR im Rahmen eines Pressecamps in Finale Ligure für zwei Tage testen. Der Großteil der Höhenmeter wurde dabei per Shuttle zurückgelegt. Die Kosten des Pressecamps wurden komplett von Canyon getragen.
Hier haben wir das Canyon Strive 2023 getestet
Rick7
dabei seit 10/2008
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CoilRocks
dabei seit 01/2020
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jk72
dabei seit 02/2015
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jk72
dabei seit 02/2015
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Rick7
dabei seit 10/2008
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