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Cube Agree C:62 SLT 2023 im Test: Das wohl spannendste Rennrad der 2022er Kollektion von Cube ist das von Grund auf neu entwickelte Agree C:62 gewesen. Wir hatten den Sommer über Zeit das Endurance-Rennrad im gerade vorgestellten 2023er Spec zu fahren, um herauszufinden, was die aerodynamische Optimierung vom Rahmen über die Gabel bis hin zum Lenker bringt. Hier kommt unser Test des Topmodells „SLT“ mit elektrischer Shimano Dura Ace und hochprofiligen Mavic Cosmic SL 45 Laufrädern.
Das Cube Agree C:62 SLT ging für das Modelljahr 2022 vollständig überarbeitet ins Rennen. Der Fokus dabei: Integration und Aerodynamik. Die Rohrprofile schlanker, das Hinterrad enger umschlossen und dazu eine neue Lenker-Vorbau-Einheit aus Carbon. So soll richtig Tempo gemacht werden. Dennoch will das Agree kein reinrassiges Wettkampfrad sein. Cube spricht von Aero-Endurance, wir würden sagen, dass es sich am Ende wohl um ein sehr sportliches Marathon-Rennrad handelt.
Cube bietet das Agree C:62 2023 zum gerade erfolgten Modellwechsel in insgesamt fünf Ausstattungsvarianten und sechs Farben an. Dabei haben sich die Preise gegenüber dem Modelljahr 2022 nur moderat erhöht. Mechanische Schalt- und Antriebsgruppen sind ganz aus dem Portfolio verschwunden. Das neue, sehr interessante Einstiegsmodell ist das Cube Agree C:62 mit Shimano 105 Di2 2×12-Gruppe für 2.899 €. Die Modelle im Schnell-Überblick:
Alle verfügbaren Modelle teilen sich dasselbe Rahmenset inklusive Gabel und Sattelstütze. Für unseren Test haben wir das Topmodell Agree C:62 SLT in prismagrey’n’carbon 2023 zugeschickt bekommen.
Ausstattungstabelle zum Ausklappen
„Was ist das für ein Rad“, frage ich mich beim Auspacken. Schlanke 7,4 kg fühlen sich unmittelbar gut an, dazu eine ansprechende Lackierung mit schimmernden Schriftzügen und eine Formsprache, die selbstbewusst „Windkanal“ zu rufen scheint. Dazu der Preis von 5.699 € beim Topmodell Cube Agree C:62 SLT 2023.
„Eine ganze Stange Geld“, quengelt die Stimme im Hinterkopf. Doch bei nüchterner Betrachtung der gegenwärtigen Marktpreise kann man Cube nur bedingt einen Vorwurf machen. Schon die neue Shimano Dura Ace Di2-Gruppe, die Cube (fast) komplett verbaut, liegt über 4.500 €. Dazu kommt ein gut 1.500 € teurer Laufradsatz. Schaut man zum Wettbewerb für Kompletträder in ähnlicher Gewichts- und Leistungsklasse, fallen selbst bekannte Versender deutlich teurer aus.
Und Cube lässt sich nicht lumpen. Der sportliche erste Eindruck bestätigt sich bei genauerer Betrachtung. Hier ist viel im Detail optimiert worden, um ein optisch und technisch wie aus einem Guss wirkendes Fahrrad auf die Räder zu stellen.
Zum Modelljahr 2022 ist der Rahmen von vorne betrachtet schlanker geworden, was die Stirnfläche reduzieren helfen soll. Trinkflaschen hängen jedoch wie gewohnt ziemlich im Wind. Gleichzeitig fallen die Rohrprofile in der Seitenansicht flächiger aus und das Hinterrad wird eng vom Sitzrohr umschlossen. Der voluminös ausgeführte Innenlagerbereich zieht sich schlank in die Kettenstreben nach hinten. Wären hier nicht die schnell rotierenden Füße und Kurbeln unterwegs, könnte man tatsächlich von aerodynamischer Optimierung sprechen – doch in Ermangelung eines eigenen Windkanals nehmen wir das Versprechen von Cube zur Kenntnis, dass dieser Rahmen 10 Watt bei 45 km/h gegenüber dem Vorgänger einsparen soll.
Die ebenfalls aerodynamisch geformte Sattelstütze wird über eine integrierte Klemmung fixiert, die über zwei Schrauben auf der Rückseite des Rahmens zu bedienen ist. Die Dichtung gegen eindringendes Wasser ist mittelmäßig eng ausgeführt und liegt von oben auf dem Rahmen auf. Wirklich nervig ist jedoch, dass der Aufsatz der Klemmplatte lose in den Rahmen fällt, sollte man doch einmal seine Sattelstütze ausbauen. Wer hier nicht aufpasst, kann beim Bike-Transport im Auto ungewollte Notfälle erzeugen. Praktisch hingegen: die Höhenmarkierungen auf der Stütze, um präzise die ideale Position finden zu können.
Die Verarbeitung des Rahmens sowie der verwendeten Komponenten kann sich sehen lassen. Hier hat Cube ganze Arbeit geleistet und bis ins Detail hochwertig ausgestattet und fein lackiert.
Geschaltet wird an unserem Testrad mit der aktuellen Shimano Dura Ace – das heißt elektrisch und mit 2×12 Gängen. Deren Qualitäten konnten uns schon bei der Vorstellung überzeugen (hier findet ihr unseren ausführlichen Shimano Dura Ace 2×12 Test) und auch jetzt hat sich daran nichts geändert. Hervorragende Ergonomie (stark verbessert gegenüber dem Vorgängermodell), schnelle Schaltvorgänge auch unter Last und eine sehr gute Bremse sorgen für sorgenfreie Funktion. Dazu stimmt das Gewicht und im Falle des Cubes auch der Preis.
Genau wie der Rahmen auf Tempo ausgelegt ist, lässt sich auch die Übersetzung nicht lumpen. An der Dura Ace Kurbel gibt es 50x34T. Die günstigere Ultegra Kassette kommt mit eng gestuften 11-30T (und kostet gut 60 g Gewicht gegenüber einer vollständigen Dura Ace-Gruppe). So gibt es bei einer 90er Trittfrequenz eine Entfaltung von 13,2 km/h minimal bis 52,8 km/h maximal bei einer Spreizung von 401 %.
Der für die meisten von uns wichtige Bereich zwischen 30 und 35 km/h wird noch mit zwei Gängen auf dem großen Blatt abgedeckt. Wer zwischen 35 und 40 km/h fährt, kommt in den Bereich der 1T-Gangsprünge an der Kassette und kann entsprechend feiner austarieren. Ein subtiler Hinweis, dass man für dieses Bike schnelle Beine mitbringen sollte? Vielleicht. Am Berg hatte ich jedenfalls mit der langen Übersetzung teilweise zu kämpfen: am Stilfserjoch fiel die Geschwindigkeit bis in den hohen einstelligen Bereich ab – mit entsprechenden Konsequenzen für die Trittfrequenz (dann ca. 60). Immerhin: das 34er Kettenblatt macht es möglich, dass man allein über die Kassette relativ günstig bergfreundlichere Gänge realisieren kann. Hier findet ihr die Übersetzung im Ritzelrechner.
Abgerundet wird die weitere Ausstattung durch 45 mm hohe Mavic Cosmic SL 45 DISC Kohlefaserlaufräder mit 28 mm breiten Conti Grand Prix 5000 Kevlar Reifen. Cube geht hier lange nicht „full aero“, will aber doch nichts dem Zufall überlassen. So kommen die Mavic Felgen mit mittelhohem Felgenprofil und natürlich UST Road Tubeless-Technologie daher. Der Laufradsatz bringt 1.575 g auf die Waage (Herstellerangabe) und bietet mit 19 mm Maulweite die passende Basis, um gutes Gewicht und geringe aerodynamische Vorteile in Verbindung mit den 28 mm Reifen verbuchen zu können. Die effektive Reifenbreite messen wir am Testrad mit 27,8 mm. Breitere Reifen als 28 mm nach Herstellerangabe gibt Cube auch nicht frei und liegt damit für ein aktuelles Endurance-Rennrad auf der schmalen Seite.
Der Preis für die balancierte Orientierung hin zur Aerodynamik ist eine nicht zu unterschätzende Anfälligkeit bei starkem Seitenwind. Sportlich und für manche Zeitgenoss:innen zu laut wird das Freilaufgeräusch des Mavic Instant Drive 360 Freilaufs sein. Ich habe es gefeiert. Dazu fällt die Verzahnung mit 9° Eingriffswinkel hinreichend fein aus.
Bei den Komponenten setzt Cube auf hauseigene Teile – hat hier jedoch für das Modelljahr 2022 deutlich nachgelegt. Neben dem Rahmen augenfälligstes Merkmal der aerodynamischen Optimierung ist das neue, vollintegrierte Carbon-Cockpit. Der Oberlenker ist zum Flügelprofil abgeflacht und alle Leitungen laufen direkt von den Hebeln durch den Lenker und Vorbau in den gemeinsam mit Acros entwickelten Steuersatz. Maximal aufgeräumte Optik zum Preis erschwerter Bedingungen, wenn man Anpassungen vornehmen will. Cube liefert 10 mm Spacer mit, wobei diese geteilt sind, um zumindest etwas bei der Anpassung zu helfen. Und natürlich sind sie aerodynamisch entsprechend des Vorbaus geformt und nicht einfach rund. Praktisch: Die verstellbare Halterung für Wahoo / Garmin Navigationssysteme ist mit im Lieferumfang enthalten. Ein Aerolenker für das Agree SLT mit integriertem Cockpit wird von Cube nicht angeboten. Diese Option bleibt dem Race-Bike Cube Litening vorbehalten.
Ebenfalls aus dem Hause Cube kommen die Agree C:62 Aero Sattelstütze (mit dem charmanten Beinamen Comfort Flex, von dem ich herzlich wenig gespürt habe) sowie der Cube Neutral Fit Nuance SLT Road Carbon Sattel. Ganz neu bietet Cube eine kleine Staubox, die innen im Schnittpunk von Oberrohr und Sitzrohr ihren Platz findet. Angeblich ist die Box nicht nur praktisch, sondern verbessert auch die Aerodynamik. In jedem Fall schafft sie Platz in der Trikottasche oder unter dem Sattel und ist daher eine klare Empfehlung für die Praxis. Sie ist jedoch nur bei den höherpreisigen Ausstattungen im Serienumfang enthalten.
Ziehen wir zum Ende die Summe: Das Gewicht des Cube Agree C:62 SLT liegt bei 7,4 kg (Größe 53 ohne Pedale). Das Systemgewicht aus Rad, Zubehör und Fahrer begrenzt Cube auf 115 kg. Im Falle eines Falles bietet Cube 3 Jahre Garantie für seine Carbon-Rahmensets und ein Crash Replacement Service an.
So grundlegend der Rahmen überarbeitet worden ist – bei der Geometrie des Cube Agree C:62 gibt es sanfte Evolution statt Revolution. Es bleibt bei bewährten Verhältnissen und den sechs bekannten Größen, sodass sich bestehende Agree-Fahrer:innen über eine unveränderte Auslegung freuen können. Sowohl beim Stack, als auch beim Reach liegt der Rahmen für ein Endurance-Rennrad im sehr sportlichen Bereich. Konkreter spielt er durchaus in der Liga einiger Competition-Rennräder – insbesondere auch getrieben durch die Länge der Lenker-Vorbau-Einheit. Im Detail sind die Lenkwinkel im Vergleich zum Vorjahr etwas flacher geworden, um das Fahrverhalten bei hohen Geschwindigkeiten etwas zu beruhigen. Wer bei Cube jedoch voll auf den Renneinsatz abzielen will, für den gibt es nach wie vor das Cube Litening Air C:68X.
Der erste Sitzeindruck auf dem Cube Agree C:62: Ganz schön gestreckt. Also schiebe ich den Sattel maximal weit nach vorne, denn am Vorbau und Lenker gibt es – dem Aero-Anspruch sei Dank – nichts einzustellen oder anzupassen. Stichwort Sattel: Hier ist Cube eine echte Meisterleistung gelungen. Schon länger habe ich nicht mehr so lange so bequem gesessen – ob im Ober- oder im Unterlenker. Die Ergonomie der Shimano Dura Ace-Hebel überzeugt sowohl von der Formgebung her, als auch mit den niedrigen Bedienkräften und klar definierten Hebelwegen. Auch kalte Finger finden hier zuverlässig den nächsten Gang.
In der von uns gefahrenen Ausstattung bringt das Cube Agree C:62 SLT 2023 7,4 kg auf die Waage. Das sind zwar einige Gramm mehr, als bei den leichtesten Serienrädern im Wettbewerb, doch in Anbetracht des Preises muss man hier eigentlich von einem Preis-Leistungs-Knaller sprechen. Die Basis legt der 1.190 g leichte Rahmen. Doch das Rad ist nicht nur relativ leicht, sondern auch steif. Hinzu kommt eine ziemlich gestreckte Sitzposition mit tiefer Front, die entspanntes Dahinrollen wirkungsvoll begrenzt. So beschleunigt das Rad spritzig und gibt vom ersten Meter an das Gefühl, dass man gute Beine hätte. Der Kopf spielt ja eine durchaus große Rolle. Doch auch Strava bescheinigt dem Agree ein hohes Tempo und ich fahre persönliche Bestleistungen – vor allem auch in längeren, steilen Anstiegen.
Der Nachteil der Steifigkeit ist, dass das Rad hart abrollt und für ein Endurance-Rennrad trotz 28 mm breiten Reifen einen eher hölzernen Eindruck hinterlässt. Wobei die Reifen schon retten, was noch zu retten ist. Wer also einen rückenschonenden und kraftsparenden Begleiter für fieses Kopfsteinpflaster oder einfach schlechte Strecken sucht, der wird nur bedingt glücklich. Der Vollständigkeit halber sei aber auch angemerkt, dass ich mit 66 kg Lebendgewicht eher zu den leichten Testern gehöre. Wer schwerer ist, wird dem Rahmen mehr Nachgiebigkeit entlocken können. Bei 176 cm hätte ich außerdem den Sattel gerne noch einen Zentimeter weiter nach vorn geschoben.
Zurück auf die Strecke und rein in die Kurve. Wer es bergab fließen lässt, bekommt ein gut vorhersehbares Fahrverhalten spendiert. Die hohe Steifigkeit hilft dabei, die angepeilte Linie auch zu treffen und die Shimano Dura Ace-Scheibenbremse arbeitet zuverlässig und standfest. Wird das Tempo niedriger und die Kurven enger, muss man (wir haben das Rad mit 420er Lenker gefahren) ein wenig auf das Vorderrad achten, um hier nicht aus der Balance zu geraten. Der relativ stark begrenzte Lenkeinschlag (der Steuersatz schützt sowohl den Rahmen, als auch die innen verlegten Leitungen vor Beschädigung) würde ein ungewolltes Einschnappen aber ohnehin verhindern. Und das Cube Agree C:62 will ohnehin lieber schnell gefahren werden.
Sowohl die Übersetzung, als auch die 45 mm hohen Felgen lassen bei hohen Geschwindigkeiten nichts anbrennen. Die gestreckte, sportliche Sitzposition ermöglicht viel Druck auf dem Pedal und reduziert im Unterlenker gleichzeitig die Stirnfläche. Lediglich bei starkem Wind heißt es wirklich „aufpassen“ und die Mavic Cosmic SL 45 scheinen bei böigen Bedingungen eine kundige Hand zu erfordern.
Das Cube Agree C:62 SLT spielt zwischen den klassischen Einsatzbereichen: mit aerodynamischer Optimierung, gestreckter Sitzposition und hoher Steifigkeit schielt es mit mehr als nur einem Rad in Richtung Race-Bike. Doch ist es dabei nicht so kompromisslos. Und auch wenn der Komfort zugunsten der Geschwindigkeit eingeschränkt ist, ist es auch für lange Ausfahrten ein vorzüglicher Begleiter. Das liegt vor allem auch an der sehr hochwertigen Ausstattung, die zu einem wirklich überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnis führt.
Endurance oder Competition: Welchen Typ Rennrad bevorzugst Du?
Testablauf
Hier haben wir unsere Fahreindrücke gesammelt:
wwwgr
dabei seit 11/2022
Fotos Videos
cvnyon
dabei seit 09/2022
Fotos Videos
wwwgr
dabei seit 11/2022
Fotos Videos
cvnyon
dabei seit 09/2022
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hale
dabei seit 11/2022
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