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Wer schafft es zuerst, sicherheitsrelevante Mountainbike-Komponenten durch 3D-Druck herzustellen? Mehr als Kleinigkeiten wie Bashguards oder Kettenführungen? Keine Plastikteile, sondern Metall? Es sieht so aus, als wäre es die Firma Airbus APWorks. Ob der gedruckte Vorbau den Belastungen auch tatsächlich standhält, wurde anschließend auf den EFBE-Prüfständen getestet.
3D-Druck ist in aller Munde und wurde auch hier auf MTB-News.de schon mehrfach angeschnitten: Etwa, als es um Rapid Prototyping Modelle von Rahmen ging, also um reine Anschauungsobjekte, bevor in teure Werkzeuge investiert wird. Oder im Zusammenhang mit kleinen Problemlösern: individualisierten Bashguards und Kettenführungen beispielsweise. Alles faszinierend, aber immer schien es: Noch können durch additive Fertigung (der technischere Begriff für das, was umgangssprachlich als 3D-Druck bezeichnet wird) keine wirklich belasteten Teile hergestellt werden.
Das ist aber bei Leibe nicht richtig – in der Luftfahrt, im Rennsport, in der Medizintechnik – additiv hergestellte und hoch belastete Bauteile finden sich bereits in vielen Branchen und beweisen ihre Vorzüge jeden Tag: Individualisierbarkeit, Integration, Leichtbaupotential und kurze Produktionszeiten zeichnen die werkzeuglosen Herstellungsverfahren aus.
Der Luftfahrt-Vorbau
Die Firma AIRBUS APWorks, eine Ausgründung des europäischen Luftfahrtkonzerns Airbus, arbeitet in München daran, 3D-Druck für die Serie reif zu machen und bietet Kunden aus verschiedensten Branchen ein umfangreiches Dienstleistungsportfolio, von der Anpassung des Designs an den Prozess, der additiven Fertigung selbst bis hin zur zerstörungsfreien und zerstörenden Prüfung im Rahmen der Qualitätskontrolle. Als Anschauungsprojekt hat man sich nun einer Fahrradkomponente angenommen, und zwar einer sowohl höchst belasteten als auch sicherheitsrelevanten: einem Vorbau. Einem Vorbau mit integrierter Gabelkrone.
„Das Bauteil eignet sich für uns perfekt als Demonstrations-Objekt“, sagt Joachim Zettler, Geschäftsführer bei APWorks, „denn es veranschaulicht viele unserer Kompetenzen und die Vorteile additiver Fertigung in einem einzigen Produkt. Die Gabelkrone und der Vorbau werden in eine einzige Komponente integriert: die optimierte und nicht konventionell herstellbare Form spart deutlich Gewicht, und das Bauteil ist mit Hinblick auf Individualisierung für verschiedenste Konfigurationen leicht anpassbar und fertigbar. Neben dem Design leistet der verwendete Werkstoff, unsere hauseigene hochfeste Aluminumlegierung Scalmalloy® auch einen erheblichen Anteil an der Gesamtperformance des Bauteils. Das Material gewinnt seine Eigenschaften erst im Herstellungsprozess selbst und weist nahezu die spezifische Festigkeit von Titan auf!“
Ganz konkret heißt das: Die Vorbau-Krone wiegt inklusive aller Schrauben gerade einmal 198 g, was erheblich leichter als beispielsweise die CNC-gefräste Hope Crown-Stem Combo (272 g) ist, oder auch ein leichter Direct Mount Vorbau kombiniert mit der normalen Krone.
Mass-Customization
Das Beste an einer 3D-gedruckten Vorbaukrone wäre: Variantenvielfalt stellt kein Problem dar, und Variantenvielfalt ist für eine Vorbau-Krone ein Muss. Neben verschiedenen populären Downhill-Gabeln am Markt benötigen Kunden Auswahlmöglichkeit bei der Vorbaulänge, der Vorbauhöhe, der Höhe der Krone selbst und dem Lenkerdurchmesser. Um nur die beliebtesten Varianten abzudecken, sind allein über 20 Varianten notwendig – doch mit 3D-Druck kann noch weiter gegangen werden. Fox 40, Rock Shox Boxxer oder Marzocchi M380? Kein Problem. Manitou Dorado? Warum nicht! Den Vorbau vielleicht in genau 25 mm Länge, und für die neuen 35 mm Lenker? Machbar. Der Rahmen hat ein besonders kurzes Steuerrohr? Keine Spacer notwendig.
Je länger man darüber nachdenkt, desto größer ist die Vielfalt an Kundenwünschen an ein solches Produkt. Außerdem wird klar, dass diese Vielfalt mit konventionellen Herstellungsverfahren, die für jede Variante neue Fräsprogramme, ja vielleicht sogar neue Werkzeuge benötigen, nicht zu leisten ist. Anders mit dem 3D-Druck: In der CAD-Software kann das parametrische Modell mit den Kundenmaßen gefüttert und die 3D-Datei erzeugt werden. Diese kann direkt additiv inklusive der entsprechenden Qualitätssicherung hergestellt werden und ist ab der Einzelfertigung möglicherweise schon bald auch wirtschaftlich machbar.
3D Druck auf dem Prüfstand
Die große Frage ist offensichtlich: Hält solch ein 3D-gedruckter Vorbau den Belastungen, gerade im Downhill- und Freeride-Sport, stand? Denn am Computer kann zwar simuliert werden, doch am Ende zählt die Belastbarkeit des gefertigten Produktes. Anders als beim Schmieden oder Fräsen entsteht das Material ja erst im Herstellungsprozess, Lage für Lage, in Schritten von 30 Mikrometern. Jeder Fehler im Prozess würde die Belastbarkeit des Vorbaus beeinträchtigen, nur durch Prozesskontrolle können Wärmeverzug oder gar Rissbildung vermieden werden. Um zu sehen, ob die additive Fertigung bereit für den Einsatz ist, wurde der APWorks Vorbau gedruckt und auf direktem Weg zur Firma EFBE geschickt, die sich auf die Prüfung von Fahrrädern und Fahrradkomponenten spezialisiert hat.
Es existiert keine Prüfnorm, die die Anforderungen an integrierte Gabel-Kronen definiert, da diese Symbiose – zumindest noch – äußerst selten ist. Also wurde eine Einspannvorrichtung hergestellt, die Steuerrohr und Standrohre mimt, und die Krone montiert. Dann wurde ein 780 mm Lenker-Dummy mit 31.8 mm Durchmesser eingespannt und die Prüfung begonnen: Würde der additiv hergestellte und extrem leichte Vorbau die Anforderungen, die an Fahrrad-Vorbauten gestellt werden, erfüllen können?
Also wurden zunächst die Tests nach ISO 4210 durchgeführt. Diese umfassen eine seitliche Biegeprüfung, bei der, 50 mm vom Lenkerende entfernt, eine Kraft von 1000 N (entspricht etwa 100 kg) senkrecht nach unten wirkt und so den Lenker verbiegt und den Vorbau tordiert. Anschließend folgt die Biegeprüfung vorwärts, bei denen mittig am Vorbau schräg nach unten gezogen wird, und zwar mit bis zu 2600 N Kraft. Diese Belastung tritt etwa bei einer Vollbremsung einer schweren Person auf, bei Stoppies oder wenn jemand auf dem Vorderrad hüpft.
Sind diese Prüfungen absolviert, geht es an dynamische Tests, die Dauerbelastungen nachstellen: Zunächst werden 100.000 Lastwechsel wie beim Wiegetritt (Links und rechts in entgegengesetzter Kraft ziehend / drückend) absolviert, dann folgen nochmals 100.000 Lastwechsel wie im Downhill: Links und rechts gleichphasig.
All diese Tests mit insgesamt 200.000 Lastwechseln hat der Vorbau ohne Probleme bestanden: Keine Verformung, keine Risse, nichts. Um zu sehen, wie viel mehr als die Mindestanforderungen der Vorbau ertragen würde, wurde anschließend der dreistufige EFBE-Gravity Test durchgeführt. Diese übertrifft die Norm-Anforderungen nochmals, und während gewöhnlich hierfür ein neuer (= nicht vorbelasteter Vorbau) verwendet wird, wurde hier der Test zusätzlich durchgeführt. Nach 76.567 weiteren Zyklen brach der Vorbau während einer gegenphasigen Belastung, die einem heftigen Wiegetritt entspricht. Die Anforderung wären hier 100.000 Zyklen gewesen, zusätzlich dazu noch gleichphasige Zyklen, die dem Fahren einer ruppigen Downhillstrecke und Schlägen bei Sprüngen und Drops entsprechen.
„Für uns ist es spannend, solch neue Produkte auf dem Prüfstand zu sehen: Leichtbau muss eben nicht nur leicht, sondern vor allem sicher sein. Das Ergebnis, dass der durch Laser-Sintern hergestellte Vorbau auf Anhieb alle Anforderungen der Norm erfüllt, ist natürlich sehr erfreulich. Herausforderungen für auf diese Weise hergestellte Fahrradkomponenten sehen wir in zwei Bereichen: An sich müsste jede neue Variante geprüft werden – was bei der theoretisch denkbaren Variantenvielfalt ein unglaublicher Aufwand wäre. Außerdem muss sich zeigen, wie stabil der Prozess ist, und wie groß die Stichprobe sein muss, um Mängel auszuschließen. Der von APWorks begangene Weg, mit jeder Komponente Zugproben herzustellen und durch zerstörungsfreie Prüfung Defekte auszuschließen, klingt, als ob die Firma genau weiß, was es braucht.“
Fazit
APWorks hat die in der Prüfung offenbarte Schwachstelle übrigens in einer zweiten Version eliminiert. „Das erste Design war offensichtlich von bestehenden Vorbauten inspiriert, bei denen die Lenkerklemmung meist senkrecht angesetzt wird. Das ist aber an sich nicht unbedingt belastungsgerecht, sondern dem Fertigungsprozess geschuldet. Da im 3D Druck diese Restriktionen nicht gelten, können wir den Vorbau auch in dieser Hinsicht geschickter gestalten.“
Bleibt nur eine Frage: Werden wir den APWorks Vorbau kaufen können? APWorks Marketing-Leiterin Grünewald sagt dazu: „Momentan planen wir keine Serienfertigung der Vorbau-Krone, da wir den Markt noch schlecht einschätzen können und damit die finalen Kosten derzeit trotz der sicherlich für Mountainbiker sehr interessanten Argumente Gewichtsersparnis und Individualisierbarkeit noch zu hoch liegen werden. Der Trend geht bei entsprechendem Interesse allerdings definitiv sehr schnell zu wettbewerbsfähigen Preisen und damit zum möglicherweise ersten serienmäßig eingesetzten, hochbelasteten 3D gedruckten Metallbauteil im Radsport.“
Weiterführende Links: www.apworks.de / www.efbe.de
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