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Wie es scheint, ist Joshua Hedley ein wissbegieriger Kerl. Ein Mann, der sich in die Annalen der Musikgeschichte vertiefen kann, der an den Wurzeln schabt und erkennen möchte, woher das alles kommt, worauf das Fundament des heutigen Country-Sounds fußt? Für seine musikalische Feldforschung zog er bei seinem 2018 erschienen Debüt-Album “Mr. Jukebox” die Helden der 1950er und 60er-Jahre zu Rate: Acts wie George Jones, Ray Price und Glenn Campbell, denen es gelang, das damals vorherrschende Hinterwäldler-Image der Country Music durch ein eher glamourhaftes zu ersetzen. Country war damit vielleicht noch nicht cool. Aber mehrheitsfähig – und spielte immer öfters eine Rolle in den Pop-Charts.
Bei seinem neuen Album “Neon Blue” macht Joshua Hedley da weiter, wo er mit “Mr. Jukebox” aufgehört hat und nimmt sich den Sound der 1990er vor. Die Ära, die, angeführt von König Garth Brooks, Country nicht nur groß, sondern gigantisch werden ließ. Wir erinnern uns: Garth Brooks stellte damals mit seinen Alben selbst Pop-Superstars wie Michael Jackson und Madonna problemlos in den Schatten (zumindest in den USA). Mit Musik, die mit Pedal Steel und Fiddle immer noch Country war, in der aber Einflüsse aus Rock und Pop unüberhörbar waren. Genau hier klinkt sich Joshua Hedley mit “Neon Blue” ein. Und er stellt die Frage, was wohl aus dem Genre geworden wäre, wenn es sich nicht gegen Ende der 1990er Jahre komplett dem Zeitgeist unterworfen hätte?
Die Antwort gibt er auf seinem Album “Neon Blue” gleich selbst. Mit zwölf, von Jordan Lehning und Skylar Wilson co-produzierten und von Kyle Lehning gemischten Songs und mit jeder Menge Pedal-Steel-Guitar-Fills, Fiddle- und Banjo-Melodien, Fender Telecaster-Licks und satten, aber nicht zu rockenden Drum-Grooves. Genau die Rezeptur, die Country in den 1990ern zum Phänomen werden ließ. Beste Voraussetzungen also, für ein nostalgisch angehauchtes Hörvergnügen.
Bei dem Kenner der Materie garantiert eine ganze Menge musikalischer Blaupausen herausfiltern werden. Das melodisch gefällige “Broke Again” des Openers lässt sich beispielsweise Alan Jackson zuordnen, für “Country & Western” stand George Jones Pate, “Old Heartbreak Blues” würde perfekt in die Tracklist von Garth Brooks’ “No Fences” passen und “The Last Thing In The World” stünde auch Dwight Yoakam gut zu Gesicht.
So herzerfrischend retro geht es weiter: “Down to My Last Lie” erinnert an Alan Jackson zu “Here In The Real World”-Tagen, “Free” klingt nach Restless Heart und “Neon Blue” macht keinen Hehl daraus, ein Brooks & Dunn-Klon zu sein. Ebenso wenig verschweigen “Bury Me With My Boots On” und “Found in a Bar” ihren Stammbaum, der ganz klar bei Garth Brooks verortet ist. So bleibt es auch für die restlichen Songs von “Neon Blue”: Bei dem flotten Country-Feger “Wonder If You Wonder” zieht er erneut den Hut vor Alan Jackson und mit dem gefühlvollen, leisen, balladesken “River in the Rain” verneigt er sich zum Finale hin noch einmal tief vor König Garth Brooks – und erinnert dabei sogar stimmlich ganz an den Country-King.
Fazit: Mit “Neon Blue” macht sich Joshua Hedley auf zu einem Trip in die jüngere Country-Vergangenheit – und präsentiert zwölf neue Titel, die ganz nach dem New Country der 1990er klingen. Ein so origineller wie unterhaltsamer Hörspaß mit leicht wehmütiger Note.