MANOWAR schließen sich dem Trend der Abschiedstourneen an. Aber interessiert das überhaupt noch irgendwen? Offensichtlich ja, denn die Essener Grugahalle ist am ersten Dezemberabend des Jahres nahezu ausverkauft. Nur ein paar wenige Sitzplätze sind noch frei. Zuletzt enttäuschende Alben wie „The Lord Of Steel“ und „Gods Of War“ können am Kultfaktor der „Kings Of Metal“ anscheinend genauso wenig rütteln wie die völlig überzogenen Eintrittspreise der „Final Battle“-Tour. Sitzplätze kosten an der Abendkasse immerhin stolze 110 Euro. Am Eingang stößt man dann direkt auf den Merchstand, wo T-Shirts für entspannte 40 Euro angeboten werden. Fanfreundlich geht anders, aber seit sich die Gerüchte um drohende Insolvenzverfahren der bandeigenen Plattenfirma häufen, kennt man das von MANOWAR nicht anders. Doch natürlich zählt am Ende die Qualität der Show, deshalb genug des Vorgeplänkels.
Eine Vorband gibt es nicht. MANOWAR genügen sich selbst, starten allerdings mit einer Verspätung von knapp 20 Minuten in ihre zweistündige Show. Los geht’s mit der Bandhymne „Manowar“, das versteht sich von selbst und sorgt automatisch für gute Stimmung. Seine Textsicherheit darf das Publikum kurz darauf beim Doppelschlag aus „Metal Warriors“ und „Brothers Of Metal“ unter Beweis stellen. Eric Adams gelingt da auch noch der ein oder andere eindrucksvolle Schrei. Über weite Strecke verunstaltet der Frontmann die Gesangslinien so mancher Klassiker allerdings, damit ihm nicht die Puste ausgeht. Eigentlich langgezogene Töne werden kurz gehalten, die hohen Tonlagen meidet er so gut es geht. Um die nötige Power für seine unnachahmlichen Schreie zu sammeln, muss er sich an anderer Stelle doch sehr zurückhalten. Das gilt ebenso für die Kommunikation mit dem Publikum, denn die findet in der ersten Hälfte des Sets praktisch nicht statt.
Auf der anderen Seite bekleckert sich aber auch Gitarrist Karl Logan nicht immer mit Ruhm. Vor allem im ersten Drittel verschluckt er sowohl bei seinen Soli als auch manchem Riff den ein oder anderen Ton. Sauber spielen geht anders. Doch in der zweiten Hälfte fängt er sich und feuert einige technisch beeindruckende Licks raus. Trotzdem wirkt er auf der Bühne oft verloren. Bei „Herz aus Stahl“ opfern MANOWAR die erste Strophe zugunsten eines ausgiebigen Gitarrensolos. Dazu werden auf der Leinwand „Fallen Brothers“ wie Christopher Lee, Scott Columbus, Orson Welles oder Richard Wagner eingeblendet. Logan schaut derweil ständig auf die Leinwand, als müsse er checken, wann sein Gedudel endlich ein Ende finden darf. Joey DeMaio ist hingegen so souverän wie immer und harmoniert perfekt mit Neu-Schlagzeuger Marcus Castellani.
Was aber den gesamten Abend über auffällt, ist das Fehlen jeglicher Spontanität. Jeder Schritt wirkt einstudiert, alles ist genauestens geplant. Klar, das ist bei großen Bands Gang und Gäbe. Nur lassen die es sich meistens nicht so deutlich anmerken wie MANOWAR. In der Mitte des Sets findet das Theater seinen Höhepunkt in Joeys unvermeidlicher Rede. Sex-Witze, die selbst STEEL PANTHER zu flach wären, inklusive. Und natürlich wird auch wieder das halbe Bier beim Exen verschüttet. Doch Lebensweisheiten wie „Die geil Weg ist mein Weg“ werden die Zuschauer wohl noch bis ans Ende ihres Lebens begleiten. Ach ja, die anwesenden Fans sind natürlich auch „the best crowd in the world“, logisch. Wer da noch nicht im Stehen eingeschlafen ist, dem hilft vielleicht das folgende langatmige Bass-Solo.
Doch trotz all dieser Kritikpunkte geht das Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde steil. Die Fan-Chöre sorgen ein ums andere Mal für Gänsehaut, die Stimmung reißt auch den Letzten mit. Wie kann das sein angesichts einer allenfalls mittelmäßigen Performance, fragt ihr euch? Die einfache Antwort: „Hail And Kill“, „Fighting The World“, „The Power“, „Battle Hymns“ – die Liste der unsterblichen MANOWAR-Songs ist ellenlang und heute hat es mit „Sons Of Odin“ auch nur ein Song aus dem verzichtbaren Spätwerk der Band ins Set geschafft. Jeder kennt die Texte und spätestens bei „Warriors Of The World United“ wird auch die hinterletzte Faust in die Luft gestreckt.
MANOWAR haben ihren Fans so einiges zu verdanken. Das Publikum in Essen verzeiht jeden Patzer und das allgemein eher müde Auftreten der Band. Als das obligatorische Outro „The Crown And The Ring“ aus den Boxen ertönt, gehen viele glückliche Gesichter nach Hause. Die Freude darüber, die Amis zum vermeintlich letzten Mal gesehen zu haben, ist groß. Heute sind Adams, DeMaio und co. noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Bleibt nur zu hoffen, dass die aktuelle Tour auch wirklich „The Final Battle“ ist, sonst könnte es in Zukunft ganz schön unangenehm für die Band werden.
01. Manowar
02. Blood Of My Enemies
03. Metal Warriors
04. Brothers Of Metal Pt. 1
05. Mountains
06. Fallen Brothers – Karl’s Solo
07. Herz Aus Stahl
08. Secret Of Steel
09. Spirit Horse Of The Cherokee
10. Call To Arms
11. Sons Of Odin
12. Kings Of Metal
13. Joey’s Speech
14. Sting Of The Bumblebee
15. Fighting The World
16. Kill With Power
17. Sign Of The Hammer
18. The Power
19. Battle Hymn
20. Warriors Of The World United
21. Hail And Kill
22. Black Wind, Fire And Steel
“Irgendeiner wartet immer.”
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 35306 Reviews und lass Dich inspirieren!
Sag Deine Meinung!
Im ersten Soundcheck des neuen Jahres finden sich illustre Namen wie ANTI-FLAG, KATATONIA oder BEYOND THE BLACK. Den Sieg holte jedoch eine kleinere Band.
Wie jedes Jahr ist die metal.de-Redaktion 2022 einmal in sich gegangen, um ihre persönlichen High- und Lowlights des Jahres zu reflektieren.
Wenn es im Thrash Metal um Dunkelheit geht, hat “Hell Awaits” von SLAYER eine Pionierrolle.