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In ihrem ersten Album “Midwest Farmer’s Daughter” verarbeitete Margo Price den Verlust ihres Sohnes und ihr Alkoholproblem. Es war ein wütendes, teils anklagendes Album, auch wenn man das bei den oft ruhigen, von Blues gefärbten Songs im ersten Moment nicht denken mochte. Ist das zweite Album nun genauso zornig? Nein, ist es nicht. Ist das gut oder schlecht? Ein wenig von beidem.
Das Schöne an dem neuen Album ” All American Made” ist, dass man merkt, dass sich die Country-Sängerin weiterentwickelt hat. Sie hat den Tod ihres Sohnes verarbeitet, genauso wie ihre Probleme mit dem Alkohol. Das ist gut. Doch das erste Album besaß noch viel mehr. Es war auch eine Anklage an die bestehenden Verhältnisse in den USA. Eine Anklage an reiche weiße Männer, die denken sie könnten tun was sie wollen. Und wie schwer es ist, sich als Frau in dieser Welt durchzusetzen. Diese Schärfe hat Margo Price im neuen Album verloren.
Auch wenn das neue Album nicht mehr so bissig ist wie das erste – nach wie vor kann Margo Price mit ihrer Stimme überzeugen. Die Mischung aus Verletzlichkeit und rauer Kraft geht einfach unter die Haut. Margo Price weiß ihre Stimme einzusetzen. Im Track “Heart of America” ist sie glockenhell und klar, im nächsten “Cocain Cowboys” kratzig und rauchig. Manchmal wechselt die 34-Jährige innerhalb eines Liedes zwischen diesen beiden Stilen.
Das ist nicht nur faszinierend, sondern macht tatsächlich jedes Lied zu einem Hörgenuss, auch wenn das Stück musikalisch keine Bäume ausreißen mag. Apropos: Fast alle Lieder sind eingängig. Mitgesummt wird auf jeden Fall. Trotzdem bleiben viele Tracks nur auf etwas besserem Durchschnittsniveau. Markant sind die meisten Songs nur durch die hinreißende Stimme von Margo Price. Aber das bedeutet in diesem Fall nichts Schlimmes. Ein Album muss ja auch keine Jahrhundertlieder enthalten, um gut zu sein.
Etwas, was man bemängeln kann, sind die etwas generischen Texte. Margo Price singt über das Verliebtsein genauso wie über das Verlassenwerden und wie schwer es ist jemandem Lebewohl zu sagen, wenn die Liebe einmal erloschen ist. Das ist alles nicht wirklich schlecht, eben weil es auch gut vorgetragen ist, aber bleibt am Ende dann doch etwas zu generische Standardkost. Sowas kennt man schon zur Genüge.
Mit den anderen Themen verhält es sich ähnlich. Wir alle wissen mittlerweile, dass die USA ein großartiges Land sind mit tollen Landschaften und blühenden Feldern, in denen ein Ritt mit dem Pferd dein Leben verändern kann. Nur selten verlässt Price hier einmal die vorgegebenen Country Music-Bahnen. Wie etwa in dem schon erwähnten “Cocain Cowboys”. Leider erkennt man des Öfteren schon am Titel wohin der Weg geht. Was kann sich hinter Liedern wie “Wild Woman”, “Heart of America” und “All American Made” wohl verstecken? Genau.
Margo Price sagt über sich, ihre größten Vorbilder seien Janis Joplin, Bobbie Gentry, Bonnie Raitt und Dolly Parton. Und diese Einflüsse kann sie wirklich nicht verbergen. Manche Lieder von “All American Made” klingen wie eine Ode an die bekannten Sängerinnen. Sei es stilistisch oder rein stimmlich. Natürlich ist das kein wirklicher negativer Punkt, etwas mehr Eigenständigkeit würde man ihr trotzdem wünschen. Teilweise wirken ihre Lieder wie aus der Zeit gefallen und ein Unwissender könnte sie in die Sechziger oder Siebziger verorten.
Dieses Gefühl ist von Margo Price durchaus gewollt und wird durch eine teils kratzige Aufnahme und den verschiedenen Musikinstrumenten extra befeuert. Wie etwa einem Akkordeon oder einer elektronischen Orgel. Daneben kommen klassische Musikinstrumente der Country Music zum Einsatz. Peddle Steel, Fiddle, Gitarre und Schlagzeug geben vielen Liedern einen mustergültigen Anstrich. Daneben mischt Margo Price viele Lieder mit Blues und Folk. Als Bonus singt Price in “Learning to Lose” mit Willie Nelson ein Duett.
Fazit: Dank Margo Prices sagenhafter Stimme und der Reminiszenz an große Künstlerinnen vergangener Zeiten wird aus “All American Made” ein wunderbares Album.