Nel BioNTech – Aktien, die dieses Jahr schon wesentlich höhere Kurse gesehen hatt. Der eine gehypter Wasserstoffwert, der andere gehypter Impfstoffwert. Und nach dem Hype waren erstmal kräftige Kursverluste angesagt – BioNTech fiel von 374,78 USD auf 117,08 USD im Tief, Nel von 2,07 EUR auf im Tief 0,94 EUR.
Gründe? Bei BioNTech sah man nach dem Abflauen der Corona-Pandemie keine Multimilliarden-EUR-Umsätze mehr, beachtete die Pipeline nicht und sah nur ein „One-hit-wonder“ mit Ablaufdatum spätestens Ende 2022, wenn die grossen Staatseinkäufe der Vakzine auslaufen. Und Nel traute man keine Grossaufträge zu, sah viele Ankündigungen, immer höher steigende Verluste und sah keine Umsatztreiber, die das ändern könnten – Wasserstoff doch wieder nur eine Mode ohne Substanz.
Nach dem die Analysten und Anleger die Quartalszahlen Nel’s mit ihrer tristen Aussage zur Umsatz- und Verlustgegenwart hintanstellten und den Blick auf Orderbacklog, zwei Grossaufträge als Anfang einer möglichen Auftragsserie und einige andere gleich ausgeführte „Besonderheiten“ richteten, könnte etwas ausgelöst worden sein mit zumindest mittlefristiger Wirkung. Genauso bei BioNTech, als die Pläne Pfizers für die zukünftige Preisgestaltung des gemeinsam vermarkteten Vakzins plötzlich auch für 2023 Milliardenumsätze wieder vorstellbar machten bei der Mainzer mRNA-Schmiede. Im einzelnen nun:
Grosse Forschungspipeline in teilweise fortgeschrittenem Stadium durchfinanziert durch den Comirnaty-Erfolg, dafür steht BioNTech auf Dauer. Und normalerweise erwartete man nach den nationalen Staatskäufen von Comirnaty ungefähr ab Anfang 2023 ein kräftiges Umsatzminus für die Mainzer. Denn ab dann sollte die Nachfrage durch normale Beschaffungswege, teilweise krankenkassenfinanziert oder nutzerfinanziert und durch Ärzte bestimmt werden. Seit längerem wurde bereits spekuliert, wie lange die Multimilliardenumsätze mit den mRNA-Impfstoffen von Moderna oder BoNTech/Pfizer weitersprudeln werden. One-hit-wonder mit Ablaufdatum? So sehen teilweise die Kurssetzungen bei den mRNA-Pionieren aus.
Durch die von Pfizer im Rahmen einer Finanzmarktveranstaltung genannten Preissetzungen und in Erwartung einer zukünftigen Mengen-Nachfrage ca. in Höhe der jährlichen Grippeimpfungen könnten vielleicht auch 2023 annähernd die in diesem und dem letzten Jahr erreichten Umsätze erzielt werden. Zumindest wenn die Überlegungen zur Preisgestaltung am US-Markt exemplarisch für die Marktpreise zahlenden „Märkte“ wie Europa, Grossbritannien, Australien, Neuseeland, arabische Staaten u.a. stehen sollte.
Mohit Bansal, analyst bei Wells Fargo, drückte – stellvertretend für viele seien Überraschung über die Preisvorstellungen Pfizers aus, er habe eher 50,– USD erwartet. Was in etwa sich mit den angeblich von Moderna geplanten 60,– USD decken würde. Zumindest trauen die Analysten aufgrund der in diesem Herbst bisher gemachten Impffrequenzen dem BionTEch/Pfizer Impfstoff durch diese Planung ca. 2,5 bis 3 Mrd USD mehr Umsatz in 2023 zu.
Bisher konnte BionTech/Pfizer kontinierliche Preissteigerungen bei den US-Regierungskontrakten erzielen, so dass der Schritt nun auf die klasssiche Marktpreisbildung nun eigentlich wenig überraschen sollte. Gerade weil auch die „Preise“ für andere Impfstoffe in den USA in einer entsprechenden Preisrange liegen: „It is more than what CVS, for example, charges for a flu shot ($50 or $95), but is less than many other vaccines including Pneumovax 23 ($141), hepatitis ($145), meningitis ($179), shingles ($205) and HPV ($261).“ („Pfizer eyes four-fold price hike for COVID vaccine in private US market“ von Kevin Dunleavy,21.10.2022, 11:17 Uhr, Fiercepharma)
Die US-Regierung akzeptierte – in ähnlicher Grössenordnung auch die EU als zweiter Grosskunde – folgende Preisentwicklung: Die wahrscheinlich bis in serste Quartal 2023 reichende Vakzin-Bestellung der USA besass ein Preisschild von 30,48 USD/Dosis, im Juli 2021 lag man noch bei 24,00 USD/Dosis und der startpreis von 19,50 USD wurde im Juli 2020 für die erste Bestellung gezahlt.
Nach dem vielleicht schon zu lange erhofften und angekündigten Grossauftrag über 200 MW im Juli stiegen die Erwartungen fast ins Unermessliche. Der nächste Grossauftrag sollte her. Und nach einigen kleineren Orders kam er vorletzten Samstag. Der nächste, der bis jetzt grösste 58 Mio EUR-Auftrag für Nel – grösster Auftrag der Firmengeschichte – bisher. Oder wie Ex-CEO Andre Lokke auf Twitter meinte
Und dann meldete Nel am Donnerstag seine Quartalszahlen – um es kurz zu machen: Ernüchternd, enttäuschend. Die Umsatzerwartung von 245-248 Mio NOK – knapp 24 Mio EUR – wurde mit einem Umsatz von 183 Mio NOK Umsatz weit verfehlt – während die AEM-Elektrolyseure sich weiterhin hoher Nachfrage erfreut haben sollen, fehlte bei den PEM-Elektrolyseuren und den Tankanlagen die Nachfrage. 20% WENIGER UMSATZ als im Q3 2021 mit 229 Mio NOK.
Und auch die Verluste stiegen stärker als erwartet und erreichten Minus 214 Mio NOK – bei erwartetem EBITDA/EBIT von Minus 165-170 Mio NOK/Minus 203 NOK. Logischerweise handelte die Nel Aktie zunächst sehr schwach am Donnerstag, wobei der befürchtete Einbruch ausblieb und sich am Ende des Tages sogar ein kleines Plus abzeichnete. Und dann der Freitag mit …
Könnte diverse Gründe haben: Analysten reagierten nicht mit drastischen Abstufungen, betonten die guten Aussichten zumindest für 2023/24. Desweiteren zeigte die meldepflichtige Mitarbeiter-Optionsausübung am Freitag entsprechendes Vertrauen auf zukünftig kräftig steigendere Kurse (Mitarbeiteroptionen bei Nel sind mit einem „Kursdeckel“ nach oben versehen, deshalb macht eine Ausübung Sinn, sofern die „Grenze“ nicht überschritten ist.). Auch ein Blick auf die in den letzten Wochen kontinuierlich gestiegenen Shortpositonen könnte eine mögliche Erklärung liefern. Und die konkreten Kapazitätsausbaupläne/-entscheidungen in Heroya mit zusätzlich 500 MW bis 2024 und der geplante neue Produktionsstandort in den USA im GW-Bereich, für den die Standortsuche bereits läuft.
Wesentlich für die Nel Aktie und Basis für die notwendigen Kapazitätserweiterungen wird jedoch der überzeugende Ordereingang und – bestand gewesen sein, unterlegt mit einer gesunden Cash-Position:
Für die Bewertung der Aktie wichtige Inhalte der Quartalsmeldung: Cash-Bestand per 30.09.2022 für die Nel Asa lag bei 3.520 Mio NOK. Reicht noch für einige Zeit (ca. 348 Mio EUR), bevor wieder eine Kapitalmassnahme notwendig werden sollte. Und der Orderbestand erreichte im Q3 rekordmässige 2.103 Mio NOK – bei einem Ordereingang im Q3 von 775 Mio NOK – rund 107% mehr als im Q3/21. Rund 80% der Aufträge sind für das Elektrolyseur-Segment.
Aufträge die im Q3 verbucht werden konnten – bei der Elektrolyseur-Einheit, deren gesamte 500 MW Produktionslinie in Heroya seit April diesen Jahres „läuft“ und die um 500 MW Produktionskapazität bis 4/2024 erweitert wird. Dazu erhielt die Einhgeit eine Förderzusage über 6 Mio USD vom US-Verteidiugungsministerium für Forschung im Bereich PEM-Elektrolyse
„• An alkaline electrolyser in the U.S. for industrial application.
Value approximately EUR 45 million. – erster grossauftrag der Firmengeschichte, im Q3 verbucht.
• An alkaline electrolyser in Denmark for production of green ammonia.
Value approximately EUR 4 million.
• An alkaline electrolyser in the U.S. providing renewable hydrogen to fuel cell vehicles.
Value approximately NOK 600 million.
• A PEM electrolyser in the U.S. for low carbon sustainable aviation fuel.
Value approximately USD 3 million.
• A PEM electrolyser in Australia providing renewable hydrogen to heavy fuel cell vehicles.
Value approximately EUR 4 million.„ (Unternehmensmeldung Nel, 20.10.2022)
und bei der „H2-Fueling Einheit:
„• Multiple H2Station™ units from a European client.
Value approximately EUR 8 million.„(Unternehmensmeldung Nel, 20.10.2022)
Nel sieht sich nach eigenen Worten mit dem zweiten Grossauftrag innerhalb von Wochen in einer neuen Liga – oder wie Hakon Volldahl, CEO von Nel, bei Meldung des Woodside-Deal meinte: “It takes us to a higher league”. Und dafür gerüstet sein bedeutet für die Norweger der erkennbar sich beschleunigenden Nachfrage nach Elektrolyseuren ein entsprechendes Angebot gegenüberzustellen. Dass scheint der Aktienmarkt zu realisieren und zu honorieren:
Neben der bereits bekannten Entscheidung, die automatisierte Elektrolyseur-Produktionsstätte von 500 MW Kapazität auf 1 GW Kapazität bis 2024 zu verdoppeln, kommt man offensichtlich auch mit dem gewünschten Produktionsstandort in den USA voran. Denn seit Bidens bis zu 3,00 USD/KG H2 Steuergutschrifts-Subvention für Wasserstoff – je grüner, desto höher – scheint die USA als zukünftiger Hot-Spot der Wasserstoffindustrie gesetzt zu sein.
Und so hat Nel zwar bei einigen der nun ICPEI-Status erhaltenen Wasserstoffgrossprojekte in Europa „den Fuss in der Tür“ – erinnert nur an Everfuels Frederica-200 MW-Projekt – aber schnellere Entscheidungen fallen derzeit in den USA. So schafft Nel’s Status zum neuen US-Standort Erwartungen auf weitere grossaufträge aus dieser Ecke: „Nel is well underway finding a suited site in the US for PEM and Alkaline electrolyser production and expects to conclude the site selection process within H1 2023.„
Denn Volldahl sieht den US-Markt vorne – und Nel in der Position als „Big Player“ auch hochmargige Preise zu setzen. So meint er: „As our clients are increasingly worried about electrolyser production capacity from quality producers, the market balance is moving in Nel’s favour. We are now able to negotiate better terms
and conditions, a trend we foresee to continue going forward”.
Oder um es mit Volldahl’s Worten zu sagen: “Having a proven and fully automated production concept gives Nel a huge advantage as it allows for future-proof scaling at speed. This is key to meeting the rapidly growing market demand”. Vielleicht vorab zeigt das gewachsene Selbstbewusstsein der Norweger die neue Kommunikationspolitik, die man im Oktober ankündigte: „In addition, the company has decided to increase its value threshold for stock exchange notices when receiving firm purchase orders or grants. The current value threshold of about EUR 2 million is increased to about EUR 5 million. This will better align what will be communicated from the company and what is perceived as material for the Nel share.“
Goldman Sachs bestätigte kurz nach den Zahlen sein BUY für die Nel Aktie – mit Kursziel 17,0 NOK. Analystin Zoe Clarke gefiel die Dynamik der Ordereingänge, auch wenn erwartungsgemäss die Quartalsumsätze enttäuschten. Und auch die Kanadier – RBC – beliessen am Donnerstag die Einstufung für Nel ASA auf OUTPERFORM mit einem Kursziel von 23,0 NOK. Analyst Erwan Kerouredan betonte – genauso wie die Kollegin von Goldman – zwar ein schwaches drittes Quartal, aber solide Aussichten.
Und dass am Freitag JP Morgan die bereits bestehende Negativansicht über die Nel Aktie sich nur in einer graduellen Reduktion der Kurserwartung von 10,5 NOK auf 10,0 NOK auswirkte, nahm letztendlich den kurzfristig schlechten Zahlen die Signalwirkung. Und wie bereits erläutert, das am Freitag im Rahmen des Mitarbeiteroptionsprogramms 34.000 neue Aktien im Rahmen des genehmigten Kapitals am zwei Mitarbeiter aufgrund von Optionsausübung übertragen werden, spricht zumindest für deren Vertrauen in einen zukünftigen Aufschwung für Nel und deren Aktie. „(…)In total 2 employees in the group exercised options at the strike price of NOK 7.80. The options were granted in 2019.“ ( Corporate News Nel, 21.10.2022).
Wie gesagt, die zu 7,80 NOK ausgeübten Optionen besitzen in Norwegen „einen Deckel nach oben“, so dass ab einem gewissen Kursniveau keine Zusatzgewinne erzielt werden können für die Optionsinhaber. Bei Halten der Aktien sehr wohl!
Von den insgesamt 7 meldepflichtige Positionen (mindestens 0,5% des Aktienkapitals) haltenden Hedgefonds sind durch den freitäglichen Kursaufschwung 4 mit Einstiegspreisen von 10,49 NOK, 11,50 NOK, 11,75 NOK und 11,90 NOK „hinter“. Zwar unwesentlich, aber was muss denn noch passieren, dass eine Aktie kräftig fällt.
Die Quartalszahlen von Nel waren eigentlich „worst Case“ in sowieso schon hochnervösen Börsenzeiten. Sinkende Umsätze bei einem sogenannten growth-Unternehmen mit drastisch gestiegenen Verlusten. Und trotzdem kein Kurseinbruch – möglicherweise setzt hierzu ein Nachdenken bei den 4 Fonds ( Marshall Wace mit 0,51%, Odey Asset Management mit 0,57% und Qube Research mit 0,83%) ein. Insbesondere bei dem „Grössten“ Shorter mit 2,17 % – der Helikon Investments Ltd. die erst bei 10,49 NOK einstieg und somit die prozentual und absolut höchsten Verluste ausweisen muss.
Und die anderen Fonds -Arrowstreet liegt mit seinen 0,89% bei Kursen von 16,21 NOK gestartet noch komfortabel vorne – abe rgewinnmitnahmen haben auch noch nie geschadet, wenn das Downsidepotential begrenzt scheint. Ähnlich mit unterschiedlichem Polster sieht es bei Ennismore (0,57%, 15,62 NOK) und UBS Asset Management (0,61%, 12,88 NOK) aus.
Nel setzt auf den US-Markt, hat bereits ein starkes Orderbacklog und schient bei einigen Grossaufträgen „nahe am Ziel zu sein“. Un das nicht nur in den USA, wo man mit 2 Grossaufträgen stark im Rennen liegt, nein wohl auch in Europa mit Everfuels Frederica oder dem skandinavischen Green Steel Projekt oder YARA oder…Und die anderen Argumente – Insideroptionsausübung, schwache Shortposition nach „enttäuschender“ Marktreaktion auf worst case und positive Analystenstatements…
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