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Mit dem neuen Trek Madone SLR schicken die Amerikaner die siebte Generation ihres Aero-Rennrades ins Rennen. Auffälligstes Merkmal ist das geteilte Sitzrohr, „Isoflow“ genannt. Es soll wesentlich dazu beitragen, das neue Madone deutlich schneller als den Vorgänger zu machen. Auch am Cockpit geht man neue Wege. Komfort stand weniger im Mittelpunkt.
„Was am Aero-Helm gut aussieht, kann am Aero-Rennrad nicht verkehrt sein“, könnte man Trek einen Entwicklungsgedanken seines neuen Madone unterstellen. Ein „Luftauslass“ sitzt an dem schnittigen Aero-Rennrad dort, wo früher das Sitzrohr war und soll am Aero-Rennrad für Sog sorgen. Isoflow heißt das neue Technikmerkmal. Es ersetzt das alte Isospeed-Federsystem. Und es soll vor allem schneller machen. Schneller machen soll auch ein neues, integriertes Aero-Cockpit, das die Fahrer:innen aerodynamischer positioniert. Natürlich wurde das neue Trek Madone SLR 2023 auch leichter. Rund 300 g weniger soll das Komplettrad bei gleicher Ausstattung wiegen als der Vorgänger, dessen Komfort es aber nicht mehr erreichen wird. Die wichtigsten Fakten:
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*Herstellerangabe
Was am Trek Madone SLR 2023 neu ist, war schon vorab Gegenstand von Betrachtungen, da das Bike schon am Rande der Dauphiné-Rundfahrt zu sehen war. Das Rahmenset sieht radikal neu aus. Wo früher das Isospeed-Komfortelement war, ist jetzt das Sitzrohr unterbrochen für eine Art Diffusor. Das Sattelrohr dagegen geht direkt aus dem verlängerten Oberrohr hervor.
Das sieht schnittig aus und soll auch schnell machen. Trek sagt, dass der Isoflow „Diffusor“ sich bereits zu Anfang der Aero-Entwicklung als entscheidender Vorteil herauskristallisiert hat. Er mindert, dass der Luftstrom hinter dem Sitzrohr abreißt, was bremst, und soll laut den Trek-Messungen auch dazu beitragen, den Luftstrom nach dem Steuerrohr regelrecht anzusaugen.
Außerdem überarbeitete Trek die Kamm-Tail-Rohrprofile und zog den Tretlager-Bereich nach oben. Das sorgt für einen bessere „Einbettung“ der Trinkflaschen in die Rahmenform. So soll die erzielte Aero-Verbesserung auch mit den Flaschen an Bord entstehen. Damit sind wir auch schon beim wesentlichen Entwicklungsziel:
Das neue Trek Madone sollte sich in seiner 7. Generation wieder an die Spitze der Aero-Entwicklung setzen. Und so wie das Trek Émonda zuletzt 60 Sekunden schneller bezogen auf eine Stunde Fahrtzeit wurde, so spart auch das neue Madone 7 laut Trek 60 Sekunden gegenüber dem Madone 6 (genauer: über 45 km, die das Madone 6 in der Simulation binnen einer Stunde zurücklegt). Übrigens bleibt die Zeitersparnis bei geringeren Geschwindigkeiten erhalten: Über 25-Kilometer in einer Stunde hat man mit dem siebten Madone ebenfalls einen 58 Sekunden-Zeitgewinnn gegenüber dem Madone 6. Der Abstand zum leichteren Race-Rennrad Èmonda bleibt damit jedenfalls deutlich gewahrt.
Der Zeitgewinn entsteht in der Simulation dadurch, dass das neue Madone bei gleicher Leistung schneller unterwegs ist. Das lässt sich umgekehrt auch so ausdrücken: Seine Fahrer:innen müssen weniger Watt für die gleiche Geschwindigkeit treten. Bei 45 km/h sind es laut Trek satte 19 Watt weniger. Im eigenen Windkanal habe man bisher kein schnelleres Aero-Rennrad gemessen, sagt Trek, wobei man die „mutmaßlich besten Mitbewerber“ getestet habe, sagte Produktentwickler Alex Bedinghaus bei der Präsentation.
Hier kommt eine Besonderheit der Trek Windkanal-Messungen ins Spiel. Sie erfolgen mit komplettem Fahrerdummy. Die 19 Watt Gesamtersparnis ergeben sich dabei auch aus der neuen Position des Dummies auf dem neuen Madone SLR. Denn Trek entwickelte ein neues, an den Hoods schmaleres Aero-Cockpit (siehe unten) – und schmale Lenker tragen bekanntlich viel zur Aerodynamik bei. So soll der Anteil der neuen Position am Aero-Gewinn etwa bei etwa 50 % liegen. Die anderen 50 % Ersparnis gegenüber dem alten Madone entfallen alleine auf das Rad – wohlgemerkt mit ansonsten gleichen Komponenten. Vergleichbar mit den Angaben anderer Hersteller sind die Werte deshalb nicht.
In Sachen Gewicht rückt das Trek Madone SLR 2023 dagegen wieder ein Stück näher an das leichteste Trek-Rennrad heran. Das Rahmenset mit Cockpit und Sattelstütze soll gegenüber dem alten Madone SLR rund 300 g Gewicht sparen. Dabei entfallen circa 150 g auf Gewichtsersparnis an Rahmen und Gabel, und hier vor allem auch an der Sattelklemmung und durch den Wegfall des Isospeed Systems. Den Rest trägt allein das ebenfalls neue, einteilige Aero-Cockpit bei. Gleichwohl bleibt auch hier ein gewisser Abstand zum Émonda gewahrt. Das Race-Rennrad soll immer noch 400 g leichter sein.
Völlig neu entwickelt wurde die Lenker-Vorbau-Einheit. Sie hat eine für klassische Aero-Cockpits ungewöhnöliche Form. Denn sie besitzt 3 cm Flare, sprich am Unterlenker greift man 3 cm breiter als an den Hoods. Trek greift damit die Erkenntnisse auf, dass die Hood-Position bei rechtwinkliger Armhaltung ohnehin die aerodynamischste Fahrer:innen-Position ist. Ein gegenünber dem Vorgänger verkürzter Reach (aber noch kein kompakter Reach) soll zudem die Ergonomie verbessern. Wer bisher einen 42 cm-Lenker verwendete, den lässt Trek nun an 39 cm auseinander liegende Schalthebel greifen und 42 cm in den Drops.
Wer seinen gewohnten Lenker fahren will: Klassische Vorbauten können nach Austausch der letzten Abdeckkappe ebenfalls genutzt werden. Auch das Émonda Cockpit ist laut Trek kompatibel und wird von einigen Profis auch am Madone gefahren.
Das Trek Madone war das erste Aero-Rennrad, das mit Kopfsteinpflaster-tauglichem Komfort aufwartete. Zuletzt sorgte dafür das einstellbare Isospeed-System. Jetzt kommt eine kleine Kehrtwende. Für das neue Madone 7 stand die Aerodynamik an erster Stelle, das Gewicht an zweiter, aber etwas Komfort sollte erhalten bleiben. Laut Trek federt das neue Isoflow System etwa genauso gut wie das Isospeed-System in seiner härtesten Einstellung. Für Liebhaber:innen des Madone Komforts gibt es aber eine gute Nachricht: Das neue Isoflow und alle anderen Innovationen sind den Madone SLR-Modellen vorbehalten. Das Madone SL 2023 kommt weiterhin mit dem alten Madone 6-Rahmen.
Trek bietet das neue Madone nur in der SLR-Version an, also der höchsten Carbonqualität – in dem Fall 800Series OCLV-Carbon. Das Trek Madone SL läuft weiter mit dem bekannten Rahmenset. Wer also mehr auf Komfort am Aero-Rennrad als auf Sekunden aus ist: Beim SL wird man nach wie vor fündig. Bedeutet leider auch: Wer den Sekundengewinn und die Gewichtsersparnis des SLR will, muss mindestens 7.699 € investieren. So viel kostet das günstigste Trek Madone, das SLR 6 mit der neuen Shimano 105 Di2 2×12. Übrigens sind nur elektronische Schaltungen kompatibel. Damit zu den Ausstattungen.
Das Trek Madone SLR startet mit 6 verschiedenen Modellvarianten ins Modelljahr 2023. Alle basieren auf dem identischen, neuen SLR-Rahmenset. Und ja, auch die gerade erst vorgestellte Shimano 105 Di2 2×12-Semi-Funkschaltung ist direkt dabei. Die neue Shimano-Gruppe wechselt am Einstiegsmodell für 7.699 € die Gänge (und wir hoffen mal, dass sie das wie gewohnt genauso gut erledigt, wie die Ultegra Di2 12-fach, die uns in dieser Hinsicht begeisterte).
Das 105er-Modell ist dabei nicht das schwerste Trek Madone SLR 2023. Es ist rund 300 g leichter als das Modell mit SRAM Rival eTap AXS, bei ansonsten identischer Ausstattung (nur ohne Powermeter). Damit ist auch der Gewichtsvergleich zwischen den beiden Elektronikschaltungen schon annähernd geklärt. Für das mutmaßlich leichteste Bike, das Madone SLR 9 mit Shimano Dura Ace Di2 hatte Trek zur Artikelerstellung noch keine Gewichtsangabe. Es dürfte knapp über der 7-Kilo-Grenze bleiben. Die Arbeitsgeräte für die World Tour-Fahrer sollen aber laut Trek die 6,8 Kilo-Grenze der UCI erreichen.
Wenig überraschend für ein Aero-Rennrad einer der großen US-Marken liegen 4 der 6 Modelle im fünfstelligen Euro-Preisbereich. Wer darunter bleiben will, hat nur die Wahl zwischen der SRAM Rival AXS 2×12 und der Shimano 105 2×12.
Die individuellen Aufbauten mit spektakulären Lackierungen im Project One-Konfigurator der Marke sollen später im Jahr ebenfalls erhältlich sein, nicht jedoch zum Start. Die Modelle im Schnell-Überblick:
Erfreulich einfach macht es Trek den Kund:innen beim Rest der Ausstattung. So kommen alle neuen Trek Madone SLR mit Bontrager Aeolus RSL 51 Carbon-Laufrädern. Der Aero-Laufradsatz besitzt ein mittelhohes Felgenprofil von 51 mm Höhe vorne wie hinten und ist damit auf einen guten Kompromiss zwischen einfachem Handling bei Wind und Aerodnamik ausgelegt. Die Maulweite der Felge von 23 mm macht die Laufräder auch für breitere Reifen zu einer passenden Wahl. DT Swiss 240 S-Naben mit Ratchet Freilauf und 36-Zähnen kommen in den Bontrager-Rädern zum Einsatz.
Ab Werk setzt Trek bei den Reifen für das Madone SLR auf hauseigene Pneus der Bontrager R-Serie in 25 mm. Tatsächlich kommen dabei nur die beiden Top-Modelle in den Genuss der hochwertigsten Reifen mit der höchsten Fadenzahl in der Karkasse, den Bontrager R4 – bei den Preisen etwas überraschend.
Die Antriebe der beiden Hersteller rüstet Trek dem Speed-Versprechen gemäß mit passenden Übersetzungen aus. Bei den SRAM Antrieben sind es 48-35 Kurbeln und 10-33 Kassetten. Bei Shimano greift man auf die Semi-Kompaktkurbel mit 52-36 und 11-30 Kassetten zurück. Nur bei den beiden Sub-10.000-Madones gibt es leichtere Berggänge mit 10-36 oder 11-34 Kassette.
Powermeter sind bei allen Madone mit SRAM-Schaltung serienmäßig an Bord. Bei den Shimano-Modellen muss man sie dagegen noch nachrüsten.
Wie gehabt ist das Trek Madone SLR in 7 Rahmengrößen zu haben, was angesichts der Preisklasse des Bikes ein großes Spektrum und eine feine Abstufung ergibt. Dabei machen die Amerikaner bei ihrem neuen Vorzeige Aero-Rennrad keine Experimente in Sachen Geometrie. Das Madone SLR 2023 besitzt exakt die gleiche, sogenannte H 1.5-Geometrie, die auch schon das Madone SL und SLR 2022 auszeichneten. Dabei handelt es sich laut Trek um eine gemäßigte Renngeometrie – etwa in der Mitte zwischen dem, was die Profis nach wie vor bekommen (H 1.0) und dem, was am Endurance-Rennrad gefahren wird (H 2.0).
Im Vergleich zu anderen Aero-Rennrädern in unserem Geometrie-Vergeichstool Geometrics fällt das Madone SLR 2023 deshalb auch nicht besonders aus dem Rahmen. Bis auf wenige Millimeter ähnelt es Canyon Aeroad CF SLX, Specialized Tarmac SL 7 und Co. Klassische Werte eines Race-Rennrades mit relativ steilen Lenkwinkeln und konservativen Oberrohrlängen zeichnen es aus, so dass auch klassische Vorbaulängen gefahren werden können. Allenfalls der leicht kürzere Radstand als bei anderen Aero-Rennrädern fällt auf.
Eine besondere Betrachtung im Zusammenhang mit der Geometrie verdient das neue Aero-Cockpit. Es ist, wie beschrieben an den Brems-Schalthebeln runde 3 cm schmaler als im Unterlenker. Das bringt die Hände etwas näher zusammen und würde den Oberkörper normalerweise auch etwas höher bringen. Aber Trek gibt dem Aero-Lenker gleichzeitig etwas mehr Reach mit als derzeit der Trend: 80 mm Reach hat das Cockpit, während kompaktere Rennbügel zur Zeit bei 60 bis 65 mm liegen. Da Trek das Lenkermaß in den Drops angibt, empfiehlt die Marke dennoch die gewohnte Lenkergröße zu wählen.
Für mehr Spielraum bei der Anpassung der Sitzposition mit dem proprietären System aus verlängertem Ober-/Sitzrohr und innen geklemmter Sattelstütze hat Trek eine interessante Lösung gefunden. Die Konus-Klemmung kann gedreht werden und greift dann entweder weiter oben für einen längeren Auszug oder weiter unten für einen kürzeren. Zudem gibt es wieder eine lange und eine kurze Stütze. Ab Größe 56 werden die Sattelstützen mit Setback von 20 mm ausgeliefert. Darunter mit Zero-Setback.
Ich bin am Haken. Mir gefällt das Formel 1-Design des neuen Trek Madone SLR, auch wenn ich niemandem unter die Nase reiben würde, dass mein Aero-Rennrad ein Isoflow-System hat. Die theoretischen Aussagen zu den Aero-Gewinnen sind schlüssig, die Art, die Trinkflaschen mehr in die Rahmen einzubinden hat sich bei den neueren Aero-Rennrädern etabliert, dass schmale Cockpits schneller machen ist fast schon Aero-Allgemeinwissen, aber dennoch verdient Trek Lob für die konsequente Anwendung, bei der kein Nachteil zu erkennen ist.
Mit dem neuen Gewicht gehört das Madone SLR außerdem zu den besonders leichten Aero-Rennrädern. Wäre ich Profi, ich würde keinen Grund sehen für 400 g Gewichtsersparnis auf das Èmonda zu wechseln, sondern lieber den Aero-Bonus mitnehmen.
Etwas enttäuschend finde ich, dass die Laufradsätze nicht ab Werk ebenfalls stärker auf Aerodynamik ausgelegt sind. Moderne 60 mm-Profile sind bei vielen Windbedingungen für erfahrene Fahrer:innen recht gut zu handlen und würden noch schneller machen. Und darum geht es doch, oder?
Bleibt nur noch eins: der Preis. Dass es die Mittelklasse-Gruppen nur über 10.000 € gibt – geschenkt. Die untere Mittelkasse mit SRAM Rival und 105 schaltet (mutmaßlich) genauso gut (und das 105-Rad ist genauso leicht wie das Force-Modell). Aber über 7.000 € für das Einstiegsmodell machen Madone SLR-Fahren zu einer sehr exklusiven Angelegenheit.
Was sagt ihr zum neuen Trek Madone SLR?
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