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Das Specialized Diverge Expert Carbon im Test: Gravel Bikes mit Federung sind nicht unumstritten, aber eindeutig auf dem Vormarsch. Wir haben vier Schotterflitzer mit mehr oder weniger aufwendigen Federelementen getestet. Hier die Daten und unsere Fahr-Eindrücke zum Specialized Diverge Expert Carbon.
Das Diverge ist das Gravel Bike für alle Fälle bei Specialized. Es ist tauglich für Racing, Bikepacking, eine schnelle Runde am Feierabend oder mehrtägige Touren in unwegsames Gelände. Das zeigte sich schon bei unserem Test des Specialized Diverge im Jahr 2020. Aktuell ist das Diverge in fünf Varianten mit Carbonrahmen und in zwei Ausführungen mit Aluminiumrahmen erhältlich. Die Preisspanne reicht dabei von 2.100 Euro für das Einsteiger-Modell mit Alurahmen, Diverge Elite E5 (ohne Staufach und Future Shock), bis zum 14.000 Euro teuren S-Works Diverge.
In unserem Test von 4 Gravel Bikes mit Federung tritt das Specialized Diverge Expert Carbon zum Preis von 6.600 Euro an. Es ist damit das teuerste Bike im Vergleich und kommt mit entsprechender Ausstattung daher. Innerhalb der Specialized Familie rangiert das Testrad im Mittelfeld der angebotenen Diverge-Modelle. Darüber angesiedelt sind nur noch das Diverge Pro Carbon für 9.200 Euro und das exklusive S-Works Diverge für 14.000 Euro. Das günstigste Diverge mit Carbonrahmen ist das Diverge Sport Carbon für 4.000 Euro.
Nicht verschwiegen sei an dieser Stelle auch das Specialized Crux, das als Leichtbau-Graveler positioniert ist und vorrangig Racer und sportlich Ambitionierte sowie Cyclocross-Fans anspricht. Was es vom Diverge unterscheidet und wie es sich fährt, könnt ihr in unserem Test des Specialized Crux 2022 nachlesen. Und wer gern wüsste, welche Bikes von den Teamfahrer:innen bei Rennen wie dem Unbound eingesetzt werden, wird hier fündig: Unbound Gravel Bikes von Specialized – Sagans Crux & die Team-Diverges.
Unser Testrad Specialized Diverge Expert Carbon ist dem Preis entsprechend gut ausgestattet. Schaltung und Bremsen von SRAM mit Rival Kurbel und GX Eagle Schaltwerk drücken zusammen mit dem leichten Rahmen und dem hauseigenen Roval Terra C Carbon-Laufradsatz das Gewicht auf 9,24 kg. Damit schickt Specialized nicht nur das teuerste, sondern auch das leichteste Rad in unseren Test.
Die auffällige Lackierung ist ein Hingucker und verleiht dem Diverge einen ganz besonderen Touch. Die Verarbeitung ist einwandfrei, Details wie das geschraubte Tretlager oder die klassische Klemmung der Sattelstütze erhöhen die Servicefreundlichkeit.
Reifenfreiheit Mit Platz für bis zu 47 mm breite Reifen, bietet das Specialized Diverge viel Raum für die Reifenwahl. In unserem Test von 4 Gravel Bikes mit Federung bietet nur das Canyon mit 55 mm noch mehr Platz für breite Pneus.
Montage-Punkte für Bikepacking und Co. In diesem Bereich lässt Speciialized sich nicht lumpen und stattet das Diverge von Haus aus mit vielen Montagepunkten aus. Es lassen sich sowohl Schutzbleche als auch ein Gepäckträger am Heck montieren. Flaschen und sonstige Halter finden zweimal im Rahmendreicek Platz, zusätzlich gibt es zwei Montagepunkte am Unterrohr und das Gleiche am Oberrohr. Auch an der Gabel finden sich auf jeder Seite zwei Gewindeösen für zusätzliche Flaschenhalter oder zur Gepäckbefestigung. Nicht zu vergessen: das praktische und klapperfreie Staufach im Unterrohr, in dem etwa eine Windjacke plus Pannenset Platz finden.
Die Future Shock Technologie ist eine feste Größe bei Specialized und werkelt nicht nur im Diverge, sondern auch im Rennrad Roubaix für deutlich erhöhten Komfort am Lenker und höheren Speed. Mit dem Future Shock wird der Lenker und damit entsprechend auch die Fahrer*in vom restlichen Rad entkoppelt und über eine Feder und eine hydraulische Dämpfungseinheit (nur bei Future Shock 2.0) abgefedert.
Über ein Handrad am Ende des Steuerohrs kann die Dämpfung in neun Stufen verändert werden. Mit der höchsten Dämpfung erreicht man fast einen Lockout, der allerdings bei heftigen Stößen immer noch eine Federung bietet. Beim Fahren auf sehr glatten Straßen ist das System nicht wirklich zu spüren und beeinflusst das Fahrverhalten kaum merklich.
Am Hinterrad verbaut Specialized beim Diverge kein spezielles Federungssystem, sondern vertraut auf die vertikale Nachgiebigkeit des Rahmens und speziell der Sattelstütze. Obwohl die runde Stütze von außen betrachtet keine spezielle Nachgiebigkeit erwarten lässt, ist der Komfort am Sattel überraschend hoch, so viel sei an dieser Stelle bereits verraten.
Wie bereits erwähnt, bewegt man sich mit dem Specialized Diverge Expert Carbon in der mittleren Preisspanne der angebotenen Diverge-Modelle. Dementsprechend ist unser Testrad zwar gut, aber keinesfalls überragend ausgestattet. Die SRAM Rival Kurbel mit 40er Kettenblatt wird mit einem GX Eagle AXS Schaltwerk und einer entsprechenden Kassette mit einer Abstufung von 11 – 50 Zähnen kombiniert.
Dieser Mix von Straßen- und MTB-Komponenten ermöglicht einen Einfach-Antrieb mit einer sehr großen Bandbreite, bedingt jedoch auch entsprechend große Sprünge zwischen den einzelnen Gängen. Ein ähnlicher Antrieb ist beim BMC Urs LT Two verbaut, die Schweizer setzen jedoch mit einem 38er Kettenblatt und 10 – 52 Kassette auf eine höhere Bergtauglichkeit bei kürzerer Endübersetzung. Beide Kombinationen haben ihre Berechtigung und sollten mit den eigenen Bedürfnissen abgeglichen werden.
Hervorzuheben ist der Roval Terra C Carbon-Laufradsatz, der selbst in dieser Preisklasse keine Selbstverständlichkeit ist und einen erheblichen Teil sowohl zum niedrigen Gewicht als auch dem wieselflinken Handling des Diverge Expert Carbon beiträgt. Die Pathfinder Pro 2BR Reifen in 42 mm Breite sind sicher nicht erste Wahl für feuchten oder schmierigen Untergrund, dafür rollen sie aber aufgrund des durchgängigen Mittelstegs sehr schnell auf Asphalt.
Hier eine Übersicht der aktuellen Diverge Carbon Modelle von Specialized:
Im Vergleich zu den anderen Rädern im Test unserer 4 Gravel Bikes mit Federung hat das Specialized Diverge Expert Carbon einen etwas kürzeren Reach und leicht höhere Stack Werte. Dafür sind die Kettenstreben und der Radstand kürzer als bei den Mitbewerbern. Während die Konkurrenz also eher auf Geradeauslauf und Laufruhe setzt, geht Specialized einen etwas anderen Weg und legt auch Wert auf ein flinkes Handling. Die nötige Laufruhe soll über einen relativ flachen Lenkwinkel realisiert werden.
Mit sieben Rahmengrößen bietet Specialized ein sehr breites Spektrum, um das Diverge passend zur eigenen Körpergröße wählen zu können.
Das Specialized Diverge Expert Carbon wirkt schon beim ersten Kontakt sehr kompakt. Die Sitzposition ist komfortabel und nicht gestreckt. Dennoch fühlt sich das Specialized in unserem Test am ehesten wie ein Rennrad an. Das macht sich vor allem beim Fahren auf Asphalt bemerkbar, denn dort verhält sich das Diverge fast wie ein reinrassiges Race-Rennrad. Ein sportlich, aggressives Gefühl, das sonst kein weiteres Rad im Testfeld so vermitteln kann.
Die Geometrie ist sportlich und agil und kommt damit in erster Linie versierten und erfahrenen Fahrer*innen entgegen. Blutige Anfänger könnten sich von der Agilität des Specialized Diverge überfordert fühlen. Mit dem Diverge kann man immer eine noch engere Linie wählen und es auch im Gelände sehr sportlich angehen lassen. Wer nicht gern schnell fährt, sondern eher Interesse am Radwandern oder Bikepacking hat, sollte zumindest vor dem Kauf eine Probefahrt machen, und dabei prüfen, ob das Diverge seinen Vorstellungen entspricht.
Dass dieses Bike auch immer wieder von Teamfahrern bei Gravel-Rennen eingesetzt wird, kommt nicht von ungefähr, denn es hat nicht nur ein sehr sportliches Handling, sondern kann auch in Sachen Komfort überzeugen. Eine der größten Überraschungen im Test war dabei der Komfort, den das Specialized Diverge Expert Carbon am Sattel bietet. Auch ohne eingebaute Federung oder eine spezielle Sattelstützenkonstruktion, flext die Einheit von Rahmen und Stütze so gut, dass man sich auch beim direkten Wechsel von einem der vier anderen Räder im Test nicht über mangelnden Komfort beschweren muss.
Die Future Shock 2.0 Federung an der Front arbeitet sehr zuverlässig und überzeugend. Das System ist einer echten Federgabel wie der Rock Shox Rudy zwar unterlegen, schafft jedoch ganz klar eine deutliche Performance- und Komfortverbesserung gegenüber einem komplett ungefederten Rahmen. Geht es auf Asphalt bergauf, kann man die Federung so weit verhärten, dass man auch im Wiegetritt kaum ein unangenehmes Wippen spürt.
Apropos bergauf, die Rahmengeometrie des Specialized ist so kompakt, dass an sehr steilen Anstiegen schon mal das Vorderrad leicht werden kann. Hier hilft jedoch der bergtaugliche Antrieb mit 40 er Kettenblatt vorn und der 11-50 er Kassette hinten. Das SRAM GX Eagle Schaltwerk wechselt die Gänge gewohnt knackig und problemlos und ist gerade am Gravel Bike ein echter Komfort-Gewinn gegenüber einer mechanischen Schaltung.
Das Specialized Diverge Expert Carbon wirkt schon im Stand sehr kompakt. Ein Eindruck, der sich auch beim Fahren fortsetzt. Das Diverge ist quirlig, agil und fährt sich auf der Straße fast wie ein reinrassiges Race-Rennrad. Auf grobem Schotter ist daher in der Abfahrt eine erfahrene Hand am Lenker nicht von Nachteil. Bergauf kann zudem aufgrund der kompakten Geometrie schon mal das Vorderrad leicht werden. Die Future Shock Federung am Vorbau funktioniert erstaunlich gut, auch wenn sie nicht perfekt gedämpft ist. Der Komfort am Sattel ist auf höchstem Niveau für einen Rahmen ohne Federung. Hier zeigt Specialized, was mit modernem Carbon-Bau und einer passenden Carbon-Sattelstütze möglich ist. Insgesamt ein tolles Gravel-Bike für alle, die kompakte Abmessungen und ein quirliges Handling bevorzugen.
Was sind eure Erfahrungen mit Gravel Bikes mit Federung im Allgemeinen oder dem Testrad im Besonderen – schreibt es in die Kommentare, um den Nutzen für andere Leser*innen zu erhöhen?
So haben wir die Gravel Bikes getestet
Alle Gravelbikes im Vergleich wurden auf einer identischen, circa 10 km langen Teststrecke in Mouans-Sartoux, Frankreich, getestet. Alle Bikes im Test wurden von 2 Fahrern im Wechsel gefahren. Die Fahreindrücke notierten sie unmittelbar nach den Testfahrten in einem Testschema. Bewertet wurden: das Fahrverhalten in langsamen engen und schnellen weiten Kurven, das Beschleunigen am Berg und in der Ebene, die passende Übersetzung für Gravelanstiege, die Sicherheit in der Abfahrt (inklusive Bremsen), der Komforteindruck am Sattel und am Lenker.
Die Teststrecke beinhaltete circa 30 % Straßenanteil, Anstiege bis kurzzeitig 15 % auf der Straße und ähnlich steile Anstiege auf Forstwegen. Zu überwiegendem Anteil bestand die Teststrecke aus Gravel-Wegen, die auf der 50 Shades of Gravel Skala der Stufe 5 bis 9 zuzuordnen wäre, sprich: überwiegend felsiger Untergrund mit losem Kies und teils großen Steinen. Feuchte Waldböden waren gar nicht enthalten. Auch anspruchsvolle Abfahrten auf einfachen Trails mit lehmigem, trockenem Boden und kurze Schiebe- und Tragepassagen waren enthalten.
Alle Tests zu Gravel Bikes mit Federung 2022 lest ihr hier:
HG-Aut
dabei seit 10/2022
Fotos Videos
Zeelandmichel
dabei seit 10/2017
Fotos Videos
emjot
dabei seit 01/2019
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Zeelandmichel
dabei seit 10/2017
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emjot
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