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Specialized Stumpjumper Evo S-Works im Test: Schnell wie ein Enduro, agil wie ein Trail-Bike – und so schön wie ein modernes Kunstwerk: Das Specialized Stumpjumper Evo S-Works will das Beste aus allen Welten vereinen und das perfekte Bike für alles und alle sein. Ob es der S-Works-Variante gelingt, das horrende Preisschild zu rechtfertigen, klärt unser Test.
Es gibt edle Räder. Es gibt sehr edle Räder. Und es gibt das Specialized Stumpjumper Evo S-Works. Mit einem Federweg von 160 mm vorn und 150 mm am Heck will das Stumpjumper Evo die besten Eigenschaften des Trail-Allrounders Stumpjumper und des Enduro-Race-Enduros vereinen – kein fauler Kompromiss, sondern das Beste aus beiden Welten. Dazu setzt Specialized auf eine asymmetrische Rahmen-Konstruktion, die es je nach Geschmack (und Füllstand des Kontos) aus Carbon oder Aluminium gibt. In beiden Fällen erhält man ein vielfältig anpassbares 29er inklusive Stauraum im Unterrohr. Wir haben die Top-Variante mit dem ikonischen S-Works-Schriftzug auf dem Unterrohr getestet.
Normalerweise beginnen wir an dieser Stelle mit den Details des jeweiligen Testbikes. Doch beim Specialized Stumpjumper Evo S-Works müssen wir eine Ausnahme machen, denn es ist einfach der riesengroße Elefant im Raum. Und deshalb werfen wir zunächst einen Blick auf das Preisschild: Das Specialized Stumpjumper Evo S-Works kostet 13.700 €. Damit landet es in der Preis-Rangliste der unmotorisierten Bikes aus dem Hause Specialized zwar nur auf Rang 6. Aber 13.700 € ist natürlich ein absurd hoher Preis, der sich selbst dann nicht rechtfertigen lassen würde, wenn der Rahmen mit Blattgold beschichtet und das SWAT-Fach mit Kaviar gefüllt wäre. Dass der Preis im Fazit als Kritik aufgeführt wird, können wir schon jetzt vorwegnehmen – doch nun konzentrieren wir uns auf das Bike.
Auf den ersten Blick wirkt das Specialized Stumpjumper Evo S-Works, als hätten der Designer des Batmobils und unser geschätzter Kollege Arne Koop gemeinsam ein Rad auf die Beine gestellt. Der Carbon-Rahmen ist pechschwarz, der S-Works-Schriftzug auf dem Unterrohr ebenfalls. Einen knalligen Specialized-Schriftzug sucht man vergeblich. Stattdessen prangt nur das Firmenlogo – natürlich auch mattschwarz – auf dem Steuerrohr. Trotz dieses Understatements wirkt das Stumpjumper Evo gleichermaßen edel wie futuristisch.
Der goldene Fox-Dämpfer wird über eine mehrteilige Umlenkwippe angesteuert, die am S-Works-Modell aus Kohlefaser gefertigt ist. Wie gewohnt kommt das Specialized-typische FSR-System zum Einsatz. Das unterscheidet das Evo vom regulären Stumpjumper – hier hat Specialized aus Gewichtsgründen auf das Lager in der Kettenstrebe verzichtet und stattdessen ein Flexpivot-System implementiert (Specialized Stumpjumper-Test). Außerdem verbaut Specialized am Stumpjumper Fox-Dämpfer mit speziellem Rx-Tune.
Bleiben wir noch kurz beim Heck: Im Vergleich zum Vorgänger hat Specialized den Drehpunkt des Hauptlagers leicht nach oben versetzt. Die Raderhebungskurve verläuft stärker nach hinten gerichtet als zuvor – allerdings nur bis zum Sag-Punkt. So soll der Stumpjumper Evo-Hinterbau die von einem Trail-Bike bekannte Verspieltheit beibehalten. Insgesamt hat sich Specialized bei der Entwicklung des Stumpjumper Evo-Hinterbaus aber stärker am Enduro und dem Downhill Race-Bike Demo (Specialized Demo-Test) orientiert. Das Übersetzungsverhältnis ist zu Beginn des Federwegs hoch und bietet über den gesamten Federweg eine Progression von 19 %. Das soll das Stumpjumper Evo feinfühlig auf kleinen Schlägen, aber auch progressiv genug für harte Manöver oder die Verwendung von Coil-Dämpfern machen.
Das praktische Staufach im Unterrohr kennt man auch von anderen Specialized-Modellen. Im Vergleich zum Vorgänger ist es 15 % größer geworden und bietet viel Stauraum. Ebenfalls praktisch ist das geschraubte Tretlager. Über eine ISCG-Aufnahme inklusive serienmäßig verbauter Kettenführung verfügt das Stumpjumper Evo ebenso wie über einen großflächigen Schutz von Hinterbau und Unterrohr. Wer denkt, dass Specialized bei der Kabelführung womöglich geschludert hat, wird leider enttäuscht: Alle Leitungen werden dank laminierter Röhrchen klapperfrei im Inneren des Rahmens geführt.
Serienmäßig wird das Stumpjumper Evo mit 29″-Laufrädern ausgeliefert. Dank eines speziellen Yokes ist das Stumpjumper Evo aber auch mit einem 27,5″-Hinterrad kompatibel – das 9.900 € teure Stumpjumper Pro wird serienmäßig in dieser Konfiguration ausgeliefert. Doch damit enden die Anpassungsmöglichkeiten nicht. Ein Flip Chip am Hinterbau beeinflusst die Höhe des Tretlagers, die Länge der Kettenstreben und den Lenkwinkel. Außerdem liefert Specialized separate Steuersatz-Schalen mit, mit denen man ebenfalls den Lenkwinkel beeinflussen kann. So ergeben sich – die Mullet-Option noch nicht eingerechnet – sechs verschiedene Optionen. Das dürfte das Stumpy Evo zu einer perfekten Basis für alle Freunde von Experimenten machen.
Eine Gemeinsamkeit von hoher Anpassbarkeit sowie Features wie einem geschraubten Tretlager, einem Staufach im Unterrohr oder einem üppigen Rahmenschutz, der in diesem Fall sogar verschraubt und austauschbar ist, ist oftmals das erhöhte Gewicht. Doch das Stumpjumper Evo ist weit davon entfernt, als Schwergewicht durchzugehen. Laut Specialized wiegt der Stumpjumper Evo-Rahmen in Größe S4 inklusive Dämpfer und Hardware gerade einmal 2.750 Gramm. Die Waage zeigt bei unserem Komplettbike einen Wert von knapp unter 14 kg an. Das kann sich sehen lassen.
Lang, tief und flach: Diesem Credo folgt Specialized beim Stumpjumper Evo, dessen Vorgänger bereits für seine sehr progressive Geometrie bekannt war. Wie schon erwähnt legt Specialized viel Wert auf eine maximale Variabilität, sodass man die Geometrie rundum an seine persönlichen Vorlieben anpassen kann. Dank S-Sizing und entsprechend kurzen Sitzrohren kann man die passende Rahmengröße zudem in erster Linie basierend auf dem präferierten Reach-Wert auswählen.
Unser Testbike in Größe S4 bietet einen geräumigen Reach von 475 mm, einen Stack von 635 mm und ein 438 mm langes Heck. Das Tretlager ist im hohen Setting um 35 mm abgesenkt – im niedrigen Setting ist es 7 mm tiefer. Der Lenkwinkel liegt mit den Standard-Schalen je nach Setting bei 64° oder 64,5°, was für ein Rad dieser Kategorie eher auf der flachen Seite ist. Mit insgesamt sechs Größen und Reach-Werten zwischen knapp über 400 mm bis hin zu gewaltigen 528 mm deckt Specialized eine große Spanne ab. Ausgeliefert wird das Stumpjumper Evo im hohen Setting mit neutralen Steuersatz-Schalen – in diesem Setting haben wir das Stumpjumper Evo überwiegend bewegt.
Mehr geht nicht: Das Specialized Stumpjumper Evo S-Works bietet eine Ausstattung, die praktisch keine Wünsche offen lässt. Die goldene Kashima-Beschichtung der Fox Factory-Federelemente und der Regenbogen-Look der elektrischen SRAM XX1 AXS-Schaltgruppe sind die einzigen Farbtupfer am ansonsten pechschwarzen Edel-Gerät. Für eine standesgemäße Verzögerung sollen SRAM Code RSC-Bremsen sorgen – inklusive 200 mm-Bremsscheiben vorn und hinten. Die elektrische RockShox Reverb AXS bietet einen Hub von 170 mm. Bei den Reifen, dem Lenker und den Laufrädern setzt Specialized auf hauseigene Roval-Komponenten. Dass letztere wie so ziemlich alles am Evo S-Works aus Carbon gefertigt sind, versteht sich praktisch von selbst.
Vom ersten Aufsitzen an macht das Specialized Stumpjumper Evo sofort klar, dass es vorwärts will, um möglichst schnell an den Trail-Einstieg zu gelingen. Das Heck ist unter Last zwar nicht komplett ruhig, bietet jedoch auch für technische Anstiege genügend Traktion. Auf das Umlegen des gut erreichbaren Plattform-Hebels am Fox-Dämpfer haben wir weitgehend verzichtet. Auf längeren Schotter-Anstiegen lohnt sich ein kurzer Griff nach unten, doch auch im offenen Modus fühlt sich das Stumpjumper Evo bergauf effizient und spritzig an.
Zu diesem Gefühl tragen auch das ordentliche Gewicht und die gelungene Sitzposition bei. Letztere positioniert einen bei ausgefahrener Reverb minimal gestreckt, sodass man leicht von hinten in die Pedale tritt. Für unseren Geschmack ist die Uphill-Position praktisch ideal und bietet keinen Anlass zur Kritik. Je nach Geometrie-Einstellung muss man jedoch auf technischen Anstiegen bewusst in die Kurbeln treten, denn auch im nominell hohen Setting ist das Tretlager schon recht tief.
Beeindruckend am Stumpjumper Evo ist, dass man sich auf dem Bike sofort wohlfühlt – dieses Feedback wurde von allen Testern unabhängig voneinander auf Anhieb geäußert. Und dieser Eindruck verstärkt sich, sobald der Trail ins Tal zeigt. Auch hier ist der Vortrieb beeindruckend. Das Heck reagiert schön feinfühlig auf kleinere Schläge, bietet im mittleren Bereich aber viel Gegenhalt und dadurch ausreichend Popp. So lassen sich kleinere Stein- und Wurzelfelder am besten direkt überspringen.
Berühren die Specialized-eigenen Reifen dann doch den Boden der Tatsachen, dann läuft das Stumpjumper Evo wie auf Schienen. Der Hinterbau gibt dabei immer das richtige Maß an Federweg frei – so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Der Grenzbereich kündigt sich dabei stets gut an. Dadurch ist man in haarigen Situationen meist Herr der Lage, statt in Panik zu verfallen. Kontrolle, Balance, Vertrauen: Hier stimmt so ziemlich alles.
Eine weitere Eigenschaft des Stumpjumper Evos, die sofort sehr positiv auffällt, ist die Geräuschkulisse. Oder besser gesagt: Der Mangel an Geräuschen, denn hier klappert wirklich absolut nichts. Abgesehen vom Abroll-Geräusch der Reifen ist das Rad mucksmäuschenstill. Gut möglich, dass das Stumpjumper Evo hinsichtlich dieser Eigenschaft derzeit im Trail- und Enduro-Bereich die Referenz darstellt.
Mit 150 mm am Heck ist die Evo-Version des Stumpjumpers im langhubigen Trail-Segment verortet, doch die Geometrie und auch die Änderungen am Hinterbau verschieben das Rad innerhalb des Specialized-Kosmos stärker in Richtung Enduro. Wie schlägt sich das Stumpjumper Evo hier? Kurz gesagt: Hervorragend. Auch bei hohen Geschwindigkeiten oder auf harten Trails vermittelt das Stumpy viel Kontrolle und lässt sich kaum aus der Ruhe bringen. Das Heck ist progressiv genug, um auch harte Landungen problemlos wegzustecken – trotz großer Bemühungen ist es uns nicht gelungen, einen Durchschlag hervorzurufen, der uns komplett durchgeschüttelt hat.
Wo sind also die Limitationen des Stumpjumper Evos? Es ist kein Bike zum stumpfen Ballern, mit dem man jeden Trail einebnet (siehe hierzu: Specialized Enduro-Test). Auch wenn enorm hohe Geschwindigkeiten möglich sind, bekommt man stets etwas Feedback vom Untergrund. Und anders als kürzere, kurzhubigere Trail-Bikes will das Stumpjumper Evo etwas präziser gefahren werden. Denn trotz spürbarer Trail-Gene ist das Rad etwas träger als ein klassischer Vertreter der Allround-Kategorie unterwegs. Festzuhalten bleibt aber in jedem Fall, dass das Stumpjumper Evo in nahezu jeder Situation praktisch alles richtig macht.
Specialized platziert das Stumpjumper Evo zwischen dem regulären Stumpjumper (140/130 mm) und dem Enduro (170/170 mm). Optisch ist das Stumpjumper Evo deutlich näher am kleinen Trail-Bruder dran, während das Enduro auch hinsichtlich des Hinterbaus mit tief platziertem Dämpfer an ein pedalierbares Demo erinnert. Auf dem Trail erinnert das Stumpjumper Evo tatsächlich an einen ziemlich idealen Mix aus den beiden Bikes. Das reguläre Stumpjumper geht erwartungsgemäß in eine allroundigere Trail-Richtung und lässt sich aufgrund der gemäßigteren Geometrie einfacher navigieren. Doch ansonsten ist das Stumpjumper Evo dem (sehr guten!) kleinen Bruder in praktisch jeder Hinsicht überlegen.
Das Enduro hingegen muss bergauf und auf flacheren Trails alleine schon deswegen abreißen lassen, weil es deutlich schwerer und träger ist. Während der Hinterbau des Stumpjumper Evos spürbar definierter ist, vermittelt das Enduro den Eindruck, als würde praktisch unendlich viel Federweg zur Verfügung stehen. Wer den Fokus fast ausschließlich auf die Abfahrt legt, viel im Bike Park unterwegs ist und auch regelmäßig bei Enduro-Rennen in hartem Gelände an der Startlinie steht, dürfte mit dem Enduro wohl den besseren Begleiter im Hause Specialized finden. Für die meisten Situationen und Fahrer*innen dürfte aber das Stumpjumper Evo die bessere Wahl darstellen, zumal es dank zahlreicher Verstellmöglichkeiten auch eine sehr vielseitige Geometrie bietet.
Ein weiteres Bike, das in eine ähnliche Richtung wie das Stumpjumper Evo geht, ist das in diesem Sommer neu präsentierte Trek Fuel EX (Test), das an Front und Heck 10 mm weniger Federweg hat. Dieses bietet ebenfalls eine außergewöhnlich variable Geometrie, die je nach Setting in eine ähnlich extreme Richtung geht. Dank Flip Chip für die Progression kann man das Fuel EX-Heck stärker an seine Bedürfnisse anpassen, wenngleich man für eine härtere Gangart wohl direkt ins progressive Setting wechselt. In der Top-Variante ist das Stumpjumper Evo S-Works bei vergleichbarer Ausstattung rund 1.000 € teurer, allerdings auch etwa 700 Gramm leichter. Das Specialized hinterlässt dabei einen wertigeren Eindruck, kleine Detail-Lösungen wirken (noch) durchdachter und das Stumpjumper Evo löst insgesamt stärker einen Haben-will-Reflex aus. Aber keine Frage: Beide Räder sind fantastisch, machen extrem viel Spaß und sind in jeglicher Hinsicht sehr vielseitig.
Im direkten Vergleich gegen das Stumpjumper Evo konnten wir das Canyon Spectral CF 8 CLLCTV fahren. Wer mit den ganzen Konsonanten nichts anfangen kann: Bei dem Rad handelt es sich um das abfahrtslastige Trail-Bike von Canyon, das ebenfalls 160/150 mm Federweg bietet, allerdings auf einen Coil-Dämpfer und ein kleines Mullet-Hinterrad setzt. Wir sind große Fans des Mullet-Spectrals – unter anderem nachzulesen in unserem Canyon Spectral Mullet-Test –, doch das Stumpjumper Evo ist noch eine Spur besser. Der Hinterbau generiert mehr Traktion, durch das spürbar geringere Gewicht ist das Specialized leichtfüßiger unterwegs und der Grenzbereich ist größer. Das Spectral ist auch dank des kleineren Hinterrades dafür etwas agiler auf dem Trail und hat in engen Sektionen die Nase vorn. Im Gegensatz zum Specialized lässt sich die Laufrad-Größe am Canyon jedoch nicht umbauen. Außerdem punktet das Stumpjumper Evo insgesamt mit einer deutlich größeren Anpassbarkeit. Dafür erhält man drei Canyons zum Preis von einem S-Works-Evo.
Das Specialized Stumpjumper Evo ist ein faszinierendes Rad, das den Spagat zwischen Trail und Enduro beängstigend gut meistert und in nahezu jeglicher Hinsicht das Beste aus beiden Welten kombiniert. Wer nicht weiß, ob ein Trail-Bike oder ein Enduro die bessere Wahl ist, greift zum Stumpjumper Evo und ist glücklich. Schwächen leistet sich die von uns getestete S-Works-Variante praktisch keine. Der Preis von 13.700 € ist aber nichts für schwache Nerven.
Testablauf
Wir konnten das Specialized Stumpjumper Evo mehrere Monate lang auf unseren Hometrails in Hessen und Rheinland-Pfalz ausgiebig fahren. Ein Großteil der Höhenmeter wurde dabei aus eigener Kraft erklommen – auch an einem Shuttle-Tag musste sich das Stumpjumper Evo im direkten Duell gegen vergleichbare Bikes beweisen.
Hier haben wir das Specialized Stumpjumper Evo getestet
LaserRatte
dabei seit 07/2022
Fotos Videos
Schnitzelfreund
dabei seit 07/2003
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Cycliste17
dabei seit 11/2016
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LaserRatte
dabei seit 07/2022
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modisaster
dabei seit 11/2022
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