Essen · Thyssenkrupp verfünffachte den Gewinn im ersten Quartal und will die Stahlsparte nach dem Vorbild von Bayer/Lanxess abtrennen. Vor einer Entscheidung muss die EU aber über die Beihilfen des Bundes entscheiden. Der Abbau der konzernweit 12.700 Stellen geht voran, so Finanzchef Keysberg.
Stahlarbeiter in Duisburg.
Thyssenkrupp treibt die Abspaltung des traditionsreichen Stahlgeschäfts voran. „Der Spin-Off ist dabei die bevorzugte Option“, sagte Finanzchef Klaus Keysberg bei der Vorstellung der Zahlen zum ersten Quartal. Spin-off bedeutet, dass der Konzern die Stahlsparte verselbständigt und seinen Aktionären die Aktien der Tochter über Nacht ins Depot bucht. Diese können die neuen Papiere dann behalten oder über die Börse weiterverkaufen. Nach diesem Vorbild hat Eon sich von Uniper getrennt und Bayer von Lanxess und Covestro.
Allerdings wird das noch dauern: „Im Frühjahr wird es noch keine Entscheidung über eine mögliche Abspaltung geben, wir brauchen Klarheit über Rahmenbedingungen und Förderprogramme“, so Keysberg. Thyssenkrupp will (und muss) auf grüne Stahlerzeugung umstellen. Die Investitionen in die Betriebe, wo dann Wasser- statt Kohlenstoff eingesetzt wird, um den Sauerstoff aus dem Eisenerz zu holen, gehen aber in die Milliarden. Daher hat Thyssenkrupp entsprechende Förderanträge bei der Bundesregierung gestellt. Zudem ist grüner Stahl noch nicht wettbewerbsfähig, und soll nach dem Willen der IG Metall auf das Weltmarkt-Preisniveau herunter subventioniert werden. Bevor diese Fragen nicht geklärt sind, kann der Markt den Spin-Off nicht bewerten. Keysberg begrüßte die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, mit Hilfe von Klimaverträgen die höheren Kosten einer CO2-freien Produktion auszugleichen. Das entscheidende Wort hat aber die EU-Kommission, sie muss sagen, was der Deutschland fördern darf und was eine unzulässige Beihilfe ist. „Wir erwarten dazu eine Entscheidung in den kommenden Monaten“, sagte Keysberg.
Im ersten Quartal machte das Stahlgeschäft dem Konzern jedenfalls viel Freude: Der Stahlboom führte dazu, dass der krisengebeutelte Konzern seinen Gewinn auf 378 Millionen Euro fast verfünffachte. Ohne die hohen Energiekosten und Lieferengpässe hätte man noch besser abgeschnitten. „Wir hatten ein gutes erstes Quartal. Aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen“, sagte Keysberg. Immer noch verbrennt der Konzern Geld: Der freie Cash Flow lag bei minus 855 Millionen Euro. Im Laufe des Jahres will man bei Null landen. Die Anleger hatten sich mehr erhofft, die Aktie verlor zeitweise drei Prozent, erholte sich aber wieder und notiert bei gut neun Euro.
Die Sparten Industrial Components und Automotive Technology schlossen ohnehin schlechter ab als vor einem Jahr. Das Geschäft mit Autoteilen leidet unter den Lieferengpässen der Kunden bei Halbleitern.
Zum Umbau des Konzerns gehört auch der Abbau von Tausenden Stellen. 12.700 sollen wegfallen, wie Keysberg nun präzisierte. Die meisten von ihnen bis zum Jahr 2024, im Stahl läuft der Abbau bis 2026. 8400 Stellen sind bereits verschwunden. Thyssenkrupp setzt dabei weiter auf sozialverträgliche Lösungen.
Und zum Umbau gehört der Verkauf der Wasserstofftochter Nucera. Diese sei im ersten Halbjahr geplant, so Keysberg. „Wenn wir eine Entscheidung für einen Börsengang treffen, werden wir den auch kurze Zeit danach machen.“ Die Zukunft der Tochter Marine Systems, bei der Israel gerade erst U-Boote für Milliarden Euro bestellt hat, bleibt dagegen offen. „Kurzfristig wird nichts entschieden“, so der Finanzchef. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mahnte Thyssenkrupp unlängst, die Jobs in Kiel zu erhalten. Konzern-Chefin Martina Merz hatte auf der Hauptversammlung gesagt, für Marine Systems „neben dem Stand-alone-Szenario auch mögliche Partnerschaften und Konsolidierungsoptionen“ zu prüfen.