Die Produktion soll grüner werden, aber auch rentabler.
Die Produktion soll grüner werden, aber auch rentabler.
Düsseldorf Im Vorstandsbüro am Standort in Düsseldorf ist Frank Koch, seit Jahresbeginn neuer CEO des Stahlkochers Swiss Steel, derzeit noch umringt von Zeugnissen der Vergangenheit und der Gegenwart: An den Wänden hängen Bilder von gasbetriebenen Hubbalken- und elektrisch betriebenen Lichtbogenöfen. Auf einem Sockel in Fensternähe ist ein Verbrennermotor aus Stahl ausgestellt. Das alles soll bald Geschichte sein – Koch ist im Januar angetreten, um vieles davon zu transformieren.
Denn wie die gesamte Branche muss auch der Schweizer Stahlkonzern, der noch vor einem Jahr unter dem Namen Schmolz + Bickenbach firmierte, seine Produktion so schnell wie möglich von CO2 befreien. „Wir zählen aktuell bereits zu den Anbietern mit dem niedrigsten CO2-Fußabdruck auf dem Markt“, sagte Koch im Gespräch mit dem Handelsblatt. Schon heute liege das Unternehmen mit seinen Emissionen knapp 80 Prozent unter dem globalen Branchendurchschnitt, so der Manager.
Koch hat die Führung bei Swiss Steel in einer turbulenten Zeit übernommen. Nachdem der Konzern, der sich nie von der Finanzkrise 2007/2008 erholt hat, über Jahre rote Zahlen geschrieben hatte, setzte der Familienunternehmer Martin Haefner 2021 eine Kapitalerhöhung durch. Dabei nahm der Stahlkocher mehr als 220 Millionen Euro ein.
Neben Haefners Bigpoint Holding, die aktuell rund 40 Prozent der Anteile hält, zählt dabei über Umwege auch der russische Oligarch Viktor Vekselberg zu den Teilhabern.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Der CEO der Swiss Steel Group trimmt den Stahlhersteller auf CO2-Reduktion.
Der CEO der Swiss Steel Group trimmt den Stahlhersteller auf CO2-Reduktion.
Allerdings hatte Vekselberg wegen der US-Sanktionen infolge der Krim-Annexion seinen rechtlichen Einfluss über Swiss Steel in den vergangenen Jahren bereits reduzieren müssen. Aktuell gibt Swiss Steel die Vekselberg direkt zurechenbaren Anteile mit rund acht Prozent an.
Dieser Anteil ist allerdings Bestandteil eines knapp 26-prozentigen Aktienpakets, das von der Liwet Holding gehalten wird. Die Holding wiederum wird von Personen kontrolliert, die dem russischen Milliardär nahestehen.
Dass es für Liwet dennoch schwierig ist, sich gegen Haefner durchzusetzen, zeigte sich im Vorfeld der Kapitalerhöhung: Der Fonds hatte beim Handelsregisteramt am Hauptsitz in Luzern erfolglos versucht, eine Sperre gegen die geplante Kapitalerhöhung zu erwirken. Haefner hatte diese maßgeblich mit seiner damaligen Mehrheit durchgesetzt. Das verschafft Koch nun finanziellen Spielraum, Swiss Steel grundlegend zu transformieren.
Vor seinem Amt bei dem Stahlhersteller war der 50-Jährige unter anderem als Vorstandschef bei Georgsmarienhütte und in verschiedenen Managementpositionen bei Thyssen-Krupp tätig, darunter bei den heute zu Swiss Steel gehörenden Deutschen Edelstahlwerken. Der Manager kennt sich also aus in dem Geschäft, das aktuell vor dem größten Wandel seiner Geschichte steht.
Denn die Stahlproduktion zählt zu den größten CO2-Produzenten: Ein klassischer Hochofenproduzent stößt derzeit rund zwei Tonnen CO2 pro hergestellter Tonne Stahl aus.
Es geht auch anders: Bei Steeltec, der Spezialstahltochter von Swiss Steel im schweizerischen Emmenbrücke, betragen die Emissionen lediglich 63 Kilogramm. Der große Unterschied gegenüber Konkurrenten wie Thyssen-Krupp, Arcelor Mittal und Salzgitter liegt vor allem darin, dass diese ihren Stahl unter Einsatz von Eisenerz und Kohle im Hochofen produzieren. Swiss Steel hingegen gewinnt seinen Stahl ausschließlich aus Schrott, der im Elektrolichtbogenofen eingeschmolzen wird.
>> Lesen Sie auch: Energieintensive Branchen sollen Zuschüsse bekommen
Selbst im Vergleich mit anderen Stahlkochern, die auf das gleiche strombasierte Verfahren setzen, kann sich die CO2-Bilanz der Schweizer sehen lassen. So gibt etwa die Georgsmarienhütte ihre Emissionen für die gesamte Gruppe mit rund 400 Kilogramm pro Tonne Rohstahl an. Und sie produziert ihren Stahl ebenfalls aus Schrott in Elektroöfen. Dabei fällt aber ein Großteil der Emissionen genau bei der Produktion des Stroms an, der für den Betrieb der Öfen benötigt wird.
Swiss Steel hingegen setzt mittlerweile in seinen Werken in Emmerich, Düsseldorf sowie im kanadischen Bundesstaat Toronto komplett auf klimaneutral produzierten Strom. In der Schweiz ist das zum Beispiel Wasserkraft, die in einer Kooperation mit dem Energieversorger Axpo erzeugt wird.
An weiteren Standorten in Deutschland und Frankreich stellt das Unternehmen seine Produktion zudem zeitweise auf Grünstrom um, wenn ein Kunde das wünscht.
Mittlerweile zählt zu den Kunden auch die Konkurrenz: So gaben Swiss Steel und die Werkstoffhandelssparte von Thyssen-Krupp im Luftfahrtbereich kürzlich eine Partnerschaft bekannt, in deren Rahmen die Schweizer eine Tochter des Konzerns mit Stahl beliefern Dessen CO2-Fußabdruck liegt zwischen 80 und 95 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. „Wir sehen bei unseren Kunden einen immer stärkeren Bedarf an CO2 reduziertem Material“, sagt Patrick Marous, CEO von Thyssen-Krupp Aerospace.
Was an CO2 verbleibt, fällt vor allem in der Weiterverarbeitung an, etwa in Gasöfen oder bei der Logistik. „Wir sind bestrebt, unsere Emissionen weiter zu reduzieren“, erklärt Koch.
So hat der Konzern in Emmenbrücke kürzlich 60 Millionen Euro unter anderem in einen neuen Hubbalkenofen investiert. Eine weitere Investition erfolgte in den kontinuierlichen Aufheizprozess aus induktiven und gasbetriebenen Medien, durch die rund 13 Prozent weniger Gas verbraucht wird als zuvor. In Krefeld forscht das Unternehmen an Wasserstofftechnologien, um die Umformöfen zu dekarbonisieren – ein Schritt, der für Koch angesichts der womöglich bevorstehenden Energiekrise nicht früh genug kommen kann.
Denn die Weiterverarbeitung von Stahl ist derzeit immer noch ein gasintensiver Prozess. Wie viele andere Manager aus der Branche sorgt sich Koch aktuell darüber, dass der Ukrainekrieg zu einer Mangellage führen könnte. Zwar habe das Unternehmen bereits Einsparungen vorgenommen und sei in der Stahlproduktion selbst nicht auf Gas angewiesen. „Doch werden wir nicht ausreichend versorgt, werden wir unsere Produktion notgedrungen abstellen müssen, weil bestimmte Weiterverarbeitungsschritte ohne Gas aktuell noch nicht funktionieren.“
Ein Beispiel dafür ist der kontinuierliche Aufheizprozess aus induktiven und gasbetriebenen Medien in Emmenbrücke: Der ist sparsamer, bliebe aber ohne Gas kalt.
Zwar könnte Swiss Steel seinen Rohstahl durch den mit Grünstrom versorgten Elektroofen wohl weiterhin produzieren. „Allerdings würden wir so nur unnötige Lagerbestände aufbauen, weil wir keine Möglichkeit haben, daraus weitere Produkte herzustellen“, erklärt der Manager.
Mehr: Diese zehn Branchen wären am stärksten von einem Gas-Lieferstopp betroffen.
Hinweis an die Redaktion >>
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Stahl aus Schrott mit Stahl aus Erz überhaupt zu vergleichen ist schon krasser Unfug. Auch Schrott wurde mal aus Erz gemacht.
Der nächste grobe Unfug ist das Brüsten mit Ökostrom. Über die Leitungen im Netz kommt nirgends Ökostrom. Ökostrom wird eingespeist und ist dann nicht mehr trennbar. So, und nun kommts: glaubt denn wirklich jemand, mit dem Abschluss eines Ökostromvertrags würde neuer Ökostrom generiert? Der Ökostrom ist doch schon ohne einen einzigen Ökostromvertrag von Endabnehmern sowieso im Netz. Und eben untrennbar. Da rechnet sich jemand etwas zu was ihm gar nicht exklusiv zusteht.
Diesen Bullshit gibt’s natürlich nicht nur bei der Stahlerzeugung.