Ich muss zugeben, mein Erlebnis mit hochpreisigeren Sound-Optionen am PC war sehr erhellend. Am Schluss war ich auf einer Kombination aus der alten, aber immer noch fantastischen Soundblaster ZxR, einem Headbox S2 Kopfhörerverstärker und einem Beyerdynamic Amiron angekommen. Die klang zwar immens mächtig und lebhaft, in den meisten Spielen – Multiplayer-Titeln vor allem – konnte ich keinen Gewinn daraus schlagen: Eine Armada an Klängen übermannte mich etwa in Hunt Showdown regelmäßig – ich hatte mehr Sound als ich hören und verarbeiten konnte. Beim Spielen selbst begriff ich das nie. Das hat mir erst der Arctis Nova Pro gezeigt.
Für mein Urteil zum Redesign von Steelseries’ Arctis-Serie ließ ich mir deshalb extra Zeit, um mich von diversen Voreingenommenheiten zu befreien: Zum einen nun mal der, dass ich mehrere Hundert Euro für Audio-Hardware gelassen hatte. An und an hat man dann die Tendenz, sich diese Anschaffung schönzudenken. Auf der anderen Seite kommt der Nova Pro Wireless in vielerlei Hinsicht aus einer dermaßen anderen Richtung, dass ich mich erst mal umgewöhnen musste, bevor ich ihn wirklich bewerten konnte. Komfort, Funktionsumfang und Klangprofil – es ist, als stiege man von einem alten, aber luxuriösen Mercedes auf einen topmodernen Hyundai Kona Elektro um. Beides Autos, keine Frage. Grundverschieden dennoch.
Inhalt
Neben den neu designten und recht schlicht gehaltenen Kopfhörern samt ihrem integrierten Mikro selbst, kommen noch zwei 1,5m USB-C-Kabel, ein 1,2m Klinkenkabel, eine Basisstation mit großem Lautstärkeregler, zwei Akkus und ein Schaumstoff-Popschutz aus der überwiegend auf Pappe basierenden Verpackung. Die zwei USB-Kabel sind dazu da, zwei Quellen zugleich anzuschließen. Der Gedanke hier ist, dass man sowohl einen PC als auch eine PlayStation 5 mit der Base-Station verbindet.
Mein Anwendungsfall an meinem Arbeits- und Gaming-Schreibtisch war aber der, dass ich sowohl meinen Gaming-PC als auch meinen Laptop anschließen konnte und die Basisstation automatisch merkt, welcher von beiden gerade läuft. Vor der Energiekrise habe ich überwiegend den Desktop benutzt, jetzt verrichte ich die meiste Schreibarbeit stromsparend am Laptop, der am großen Monitor hängt und ich bin der Nova Pro Wireless für diese Flexibilität dankbar. In meinem Setup sehe ich nicht, wie ich ihn auch noch an die PS5 klemmen sollte, die in der Fernsehecke wohnt.
Und allgemein bin ich bei Konsolen-Gaming kein Freund von Basisstationen – wer will schon aufstehen? –, aber immerhin kann man alle Einstellungen auch am Headset selbst vornehmen. Insofern ist auch das ein absolut legitimer Anwendungsbereich, für den Steelseries dieses formschöne Headset auch selbst ausweist.
Rein vom Anfassen her macht das Kunstleder der Ohrmuscheln einen guten Eindruck und fühlt sich angenehm auf der Haut an. Das Kopfband ist aus Metall, der “Gurt”, der eigentlich auf eurem Haupt lastet, ist elastisch und endlich auch in der Länge justierbar. Mir hat er ab Werk gut gepasst und ich mag, wie das Band das Gewicht verteilt. Was direkt auffällt, wenn man in den Ohrmuscheln entlangtastet, ist eine Erhöhung in der Mitte des Treibers, die theoretisch die Ohren berühren kann.
Ich habe das nur selten bewusst gemerkt und nicht als störend empfunden, obwohl die Nova Pro Wireless wirklich gut “zupacken”. Mit der Zeit hat sich in der Mitte der Muschel aber tatsächlich etwas Hautabrieb gesammelt, weshalb ich hier bei Interesse wohl ein Probetragen anordnen muss. Wie gesagt: Ich trage sie gerne und ohne Ermüdungserscheinungen, kann aber nicht für eure Ohren sprechen.
Die Basisstation fühlt sich ebenfalls ordentlich an, ein hübsches Monochromes LED-Display, das allerlei interessante Informationen ausspuckt und hat sogar Line-in und Line-out auf Klinke. Allerding ist sie auch erstaunlich leicht. Was dazu führt, dass alle Einstellungen, die über lauter und leiser stellen hinausgehen, nicht ausführen könnt, ohne das Gerät mit ein, zwei Fingern zu fixieren. Das Lautstärkerad muss schließlich zum Bestätigen hineingedrückt werden. Womit wir beim nächsten Punkt wären.
Die Bedienung ist an sich in Ordnung, und durch den großen Funktionsumfang wohl auch nicht viel besser zu lösen. Dennoch ist es hier und da ein bisschen fummelig, insbesondere an der Station Einstellungen vorzunehmen. Die Zurück-Taste ist Touch-basiert – mag ich nicht – und langes Halten sollte eigentlich immer zurück ins Obermenü bringen, worauf bei Steelseries keiner gekommen ist. Dennoch: Es steckt vom ANC und Transparentmodus zum Durchschleifen von Umgebungssounds, über Equalizer-Voreinstellungen, Sidetone fürs Mikro und Balance zwischen Chat- und Spielsounds einiges an Funktionen hier drin, die man auch schlechter auf eineinhalb Buttons und ein Rad hätte legen können.
Das Gute daran ist auch, dass die Bedienung sich eins zu eins auf das klickbare Lautstärkerad am Headset übertragen lässt. Gleichzeitig sollte man nicht zu weit von der Basis weg stehen, um auch die Anzeige ablesen zu können. Ansonsten muss man sich eigentlich nur merken, dass man das Headset per Knopf an der linken Muschel im 2,4GHz Betrieb startet, und an der rechten im Bluetooth-Modus. Man darf sogar beide gleichzeitig aktivieren und aus zwei Quellen zugleich bespielen, was ein netter Zug ist und praktisch, wenn man ein Telefonat annehmen möchte.
Die linke und die rechte Kappe auf der Außenseite der Hörer werden von Magneten gehalten. Hinter der linken verbirgt sich ein USB-C-Anschluss zum Aufladen, hinter der rechten der herausnehmbare Akku. An der rechten Seite der Basisstation ist ein Lade-Slot dafür. Da im Lieferumfang gleich zwei dieser Batterien enthalten sind, steckt eigentlich immer eine komplett aufgeladen in der Base. Der Wechsel gestaltet sich schnell und einfach. Nach dem Einlegen der Batterie fährt der Hörer automatisch im letzten gestarteten Modus erneut hoch. Das ist schnell, schnörkellos und eine geniale Idee. Dieser Kopfhörer ist einfach immer einsatzbereit, zumal mit einer Ladung über 20 Stunden Laufzeit drin sind, wenn man nur die 2,4GHz-Verbindung nutzt. Vielleicht mein liebstes Feature in einem drahtlosen Headset seit Jahren, auch wenn die Deckel vom Anfassen gerne mal etwas versiffen.
Wieder in die Kategorie “fummelig” gehört das Herausziehen des Mikros, das eigentlich schön bündig in den linken Hörer eingelassen ist. So bündig, dass ich zum Herausziehen regelmäßig das Headset abnehmen muss. Aber gut, da ich ohnehin dazu tendiere den Popschutzfilter draufzulassen, versenke ich das Mic eigentlich nie im Gehäuse.
Am PC bringt das Headset über die mitgelieferte Sonar Software, die sich in Steelseries GG Client integriert, viele praktische Optionen mit. An dieser Stelle würde ich allerdings meinen zentralen Kritikpunkt gern als Erstes ausräumen: Dem User zwei Anlaufpunkte zum Einstellen des Headsets zu offerieren – Sonar und die Steelseries Engine – ist ebenso wenig intuitiv, wie die Angewohnheit der Sonar-Software, gerne mal andere Audiogeräte zu wählen, als in den Windows Systemeinstellungen abgehakt sind. Dann wiederum dürften die wenigsten Leute so viele verschiedene Headsets, Soundkarten und Lautsprecher an ihrem Rechner haben als ich.
Aber okay, man fummelt sich so rein und hat man erst einmal begriffen, dass man die Engine nicht mehr anfasst, wenn man dieses Headset in Bestform erleben will, ist sie einfach zu bedienen und auch recht mächtig. Spatial Audio ist persönlich nichts für mich (und zum Glück nicht notwendig), ist es hier doch ziemlich ordentlich und mit guter Ortung abgebildet. Vor allem gefällt mir jedoch der 10-Band-Equalizer, den man penibel genau einstellen darf, sehr gut. Viele Presets für bestimmte Spiele und Musikarten sind ab Werk mit dabei, wer mag, zieht die Kurve aber auch manuell und wer weniger Ahnung hat, was er da tut, darf vereinfachte Laien-Regler verschieben und so die Kategorien Bass, Stimme und Höhe pushen. Auch die KI-gestützte Rauschunterdrückung für das Mikrofon klingt definitiv nicht nach der Beta, die sie angeblich noch ist. Noisegate, Smart-Lautstärke und optionale Verstärkung bringen im Grunde alles mit, was man im Gamer-Alltag so braucht. Das ist alles sehr vorbildlich und gut gemacht. Schade, dass es kein Pendant dazu an der PlayStation gibt. Zum Glück ist das Headset ab Werk schon gut eingestellt.
Womit wir beim Wichtigsten wären. Wie schlagen die sich denn, wenn sie die gut 800 Euro an Sound-Hardware verdrängen müssen, die sonst an meinem PC hingen? Kurz gesagt: Anders, aber erstaunlich gut. “Erstaunlich”, weil ich nicht sicher bin, ob ich fürs Zocken – insbesondere im Multiplayer – wieder zu meinem alten Setup zurückkehren kann. Gut, es ist gewissermaßen auch meine Schuld, dass ich “guten Klang” lange für das Wichtigste hielt und damit in erster Linie musikalischen Sound meinte, den die Kombination aus Amiron, Soundkarte und Kopfhörerverstärker so kraftvoll und kristallin-klar auf die Ohren brachte. Aber wie schon in der Einleitung angeklungen, sind die Nova für den Job am PC tatsächlich besser geeignet, wie es aussieht.
Für ein Gaming-Headset kommt der Klang erstaunlich neutral rüber und lässt allen Frequenzbereichen ausreichend Bühne, sodass Filter-Spielereien wie ein Scout-Modus, der Schritte hervorhebt, nicht mehr nötig sind. In Hunt Showdown konnten das Atmen und die kräftigen Schritte der Spielerfigur an meinem musikalischeren Beyerdynamik schonmal wichtige Details zwar nicht wegbügeln, aber durchaus übertönen. Die Nova Pro Wireless schaffen hier mehr Raum und machen es einfacher, Eigen- und Fremdgeräusche zu trennen. Und wenn er da sein muss, ist der Bass immer noch kräftig und präzise genug, um zu beweisen, dass hier nicht einfach im Tieftonbereich gespart wurde. In Warzone rotzt einem ein C4 noch auf der anderen Seite einer Mauer so ordentlich in den Gehörgang, dass die Ohrläppchen flattern.
Zugleich haben die Höhen genug Punch und unverzerrtes Detail, um zum Beispiel Pistolenschüsse unangenehm gefährlich klingen zu lassen. Erst in sehr hohen Lautstärken klingen sie nicht mehr ganz so fein, aber dann sind wir in Bereichen angekommen, in denen es mit dem Genuss ohnehin schon vorbei ist. In der Praxis wird das kaum jemand brauchen – und das sage ich, als jemand von der eher schwerhörigen Sorte. In Sachen Musik überzeugte das Klangbild jedenfalls: Gesang ist immer sehr präsent, in hohen Bereichen gehen feine Becken in dichten Shoegaze-Hymnen wie Deafheavens Shellstar trotzdem nicht unter und auch aus Purity Rings Fineshrine-Bassteppich treten sie angenehm dynamisch und pointiert hervor.
Das ist dann wohl die Stelle, an der Musikfreunde die mangelnde “Stage” bemängeln würden. Jene gedachte Bühne, auf der sich Songs vor dem Hörer entfalten. Bei Spielen gelingt mir die Ortung einzelner Soundeffekte mit dem Nova Pro Wireless auch im Stereobetrieb vorbildlich, bei Musikstücken fehlt es aber ein wenig an einer vergleichbaren Weite, mittels derer man die einzelnen Musiker beinahe vor sich stehen sehen (oder hören) kann. Ich tue mich da mit der Beurteilung ein wenig schwer, weil meine letzten Headsets und Kopfhörer entweder offener Bauweise waren, oder ab Werk mit Surround ausgestattet waren (den man hier ja auch zuschalten darf), aber das ginge schon besser. Aber dafür sind die Nova Pro eigentlich nicht gedacht. Ich höre trotzdem gerne Musik mit ihnen, weil sie ein feines Näschen für Details haben.
Schön ist auch, dass weder ANC noch der Transparent-Modus, der Umgebungsgeräusche durchschleift, den Sound nicht komplett massakrieren. Das ist schon recht subtil. Das aktive Noise Cancelling konzentriert sich vornehmlich auf eher tiefe Bereiche und bügelt zum Beispiel meinen nicht gerade leisen Spielerechner gnadenlos weg. In höheren Bereichen – der Akkustaubsauger, der gerade in der Etage unter mir brüllte – ist das ANC allerdings weniger resolut. Trotzdem eine gute, wenn auch nicht überragende Leistung.
Das Mikro ist eigentlich das einzige, bei dem sich der drahtlose Betrieb von bis zu 12 Metern Distanz – ich schaffe es sogar aus dem Dachgeschoss-Büro bis kurz vor den Kühlschrank in der Erdgeschossküche, bevor es zu Unterbrechungen kommt – klanglich bemerkbar macht. Das klingt zwar sauber und im Grunde tadellos, aber auch etwas dünn und komprimiert. Einen Podcast würde ich damit eher nicht aufzeichnen, auch wenn es für alle anderen Kommunikationsbelange eines von den eher guten ist. Die verkabelte Version des Arctis Nova Pro ist dem Vernehmen nach deutlich besser in der Richtung. Aber das war bei einer Wireless-Lösung zu erwarten und ist keinesfalls ehrenrührig. Kein schlechtes Mikro also, aber eines, dessen Nutzwert nach oben hin klar gedeckelt ist.
Genau, was ihr sucht? Dann bestellt das Steelseries Arctis Nova Pro Wireless bei Amazon, bei Media Markt oder bei Otto.de, für aktuell nur 299,99 Euro.
Alles in allem ist der Neuentwurf der Arctis-Reihe abzüglich einiger Kleinigkeiten sehr gut gelungen. Optisch mag man drüber streiten, ob die neuen “Kannen” jetzt wirklich hübsch sind oder es auf halben Weg dorthin mit “funktional” haben bewenden haben lassen. Aber in Sachen Funktionsumfang und Leistung ist das hier ein umwerfendes Paket, das mich klanglich zuerst überraschte und dann überzeugte. Insbesondere durch sein ehrliches, und kein bisschen aufschneiderisches Soundprofil, das mich an so mancher Anschaffung der letzten eineinhalb Jahre zweifeln lässt. Das muss man erstmal hinbekommen. Gaming-Headsets wurden und werden zu recht oft belächelt, Steelseries lächelt jetzt selbstbewusst in Richtung der Sound-Snobs zurück – und hat sich diese Sorte Trotz ehrlich verdient. Alle Achtung.
Pro
Contra
Hersteller: Steelseries – Kompatibel mit: PC, PS4, PS5 (getestet). Ebenfalls für Xbox und PC erhältlich – Release: erhältlich – Preis (UVP): 379,99 Euro
In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.
Die wichtigsten Themen des Tages direkt in deinem Posteingang.
Alexander Bohn-Elias
Stellv. Chefredakteur
Alex schreibt seit 2001 über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
Bitte aktiviere Javascript, um Kommentare sehen zu können.
Test | PowerA Moga XP7-Plus Bluetooth-Controller für Android im Test – Nette Ideen, fragwürdige Entscheidungen
Test | Test zu Evil West: Ein enttäuschend einförmiger – und trotzdem unterhaltsamer Western
Empfehlenswert | Two Point Campus: Space Academy im Test – Ein guter Grund, um zurückzukehren
Empfehlenswert | Test zu Valkyrie Profile: Lenneth – Ich spiele es mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Test | Ority Ace im Test: Switch-Tasche mit Rocket-Beans-Design könnte etwas praktischer sein
Empfehlenswert | Teardown – Test: Der Abriss-Diebstahl-Simulator, von dem ihr nicht wusstet, dass er euch Spaß machen würde
Test | Test zu Potion Craft: Alchemist Simulator – Mix mir einen Drink
Empfehlenswert | Sony Inzone H9 im Test: Das Luxus-Gaming-Headset mit ANC, Raumklang und einem erstaunlich guten Mikrofon
Copyright © 2023 Gamer Network Limited, a ReedPop company.
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Seite oder ihr Inhalt darf ohne Erlaubnis der Rechteinhaber vervielfältigt werden.