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Nur eingefleischten Country-Hardlinern werden die Namen Jimmy Bryant und Speedy West etwas sagen. Eigentlich: ein Jammer. Vielleicht sogar: ein Skandal. Denn das virtuose Duo legte in den 50er Jahren im instrumentalen Country die Messlatte enorm hoch und schrieb damit Country-Geschichte. Heute vor 40 Jahren fanden sich die beiden Meister-Musiker zur letzten Session im Studio ein.
Na klar ist Brad Paisley ein grandioser Gitarrist. Ein Fingerflink, der in einem Höllentempo über die Bünde und Tabulaturen fegt. Doch wer weiß: Vielleicht hätte selbst Paisley in Jimmy Bryant seinen Meister gefunden. Mit Sicherheit hätte er vor der Kunst des 1925 in Georgia geborenen und 1980 gestorbenen Musikers seinen Hut gezogen. Denn: Bryant, ältester Sohn von zwölf Kindern, entlockte seiner Fender Telecaster bis dahin unbekannte Töne und Notenfolgen. Extrem schnell, rhythmisch komplex und technisch hochgradig versiert gilt sein Gitarrenspiel heute als Pionierleistung im Country. Auch weil das zunächst Fiddle spielende Naturtalent als erster die Semantik von Country & Western mit dem Jazz vereinte.
Nashville war für Jimmy Bryant wohl auch deshalb nicht unbedingt der geeignete Ort. Er ging 1946 nach Los Angeles. Schon bald war er Teil der lokalen Musikerszene – zu der auch ein gewisser Speedy West gehörte. Der 1924 in Springfield, Missouri, geborene Musiker war Gitarrist und – vor allem – ein Ass an der Steel Guitar. Wie Bryant zog es ihn 1946 nach Kalifornien. Zunächst verdiente er sich seinen Unterhalt als Begleitmusiker von Acts wie Tex Williams und Hank Penny. Das sollte sich aber schnell ändern, als sich die Wege von Bryant und West kreuzten.
Jimmy Bryant an der Gitarre, Speedy West an der Steel Guitar: Ein Duo, für das es im instrumentalen Bereich offenbar keine Hürden und auch keine stilistischen Schranken gab. So sahen das damals auch die Manager von Capitol Records, die dem Duo erstmals ein Album mit Instrumentalstücken ermöglichten. Von 1950 bis 1957 veröffentlichte der heiße Zweier einige Longplayer, nicht selten mit Hits – und späteren Klassikern – bestückt wie “Speedin’ West”, “Railroadin‘” und “Georgia Steel Guitar”.
Zu ihrem Markenzeichen wurden tempogeladene Boogies, temperamentvolle Polkas und, für damalige Zeiten, extrem lässige Rags. Nicht wenige ihrer Aufnahmen gehören heute zu den Meisterstücken des Country. Wobei: Lupenreiner Country war nie ihr Ding. Sie bedienten sich bei allen möglichen Einflüssen, vor allem bei den komplizierten Skalen des Jazz. Obwohl die Karriere des talentierten Duos schnell an Fahrt aufnahm, fanden die beiden Musik-Fanatiker noch Zeit für Sessions und Tourneen mit anderen Musikern. Jimmy Bryant brachte es zwischen 1955 und 1956 alleine auf 124 Kooperationen – und das, obwohl er zu dieser Zeit gehörig mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte.
Vor 40 Jahren, also im Jahr 1976, gingen die beiden Ausnahmekönner ein letztes Mal gemeinsam ins Studio um das finale “For The Last Time” einzuspielen (das allerdings erst 1990 veröffentlicht wurde). 1979 wurde bei Jimmy Bryant Lungenkrebs diagnostiziert, an dem er ein Jahr später verstarb; Speedy West überlebte seinen musikalischen Kompagnon um etliche Jahre, er starb Ende 2003 in Broken Bow, Oklahoma.
Ihr Vermächtnis ist bis heute lebendig. So wird Jimmy Bryant immer noch von Gitarristen verehrt; Buck Owens, James Burton und Albert Lee gehören zu seinen prominenten Fans. Speedy West wurde 1980 in die Steel Guitar Hall of Fame aufgenommen, seine oft im Rockabilly angesiedelte Spielweise ist auch für heutige Pedal Steel-Gitarristen das Maß der Dinge.