NFL 2022: Die Gejagten aus Cincy – Neues und Altes aus “Steel City”
In Pittsburgh ist eine Ära vorbei, in Cincinnati soll eine Fahrt aufnehmen. In Baltimore hofft man auf die Rückkehr eines Hoffnungsträgers – und in Cleveland wird gewartet. Die vier Teams der AFC North im kicker-Check …
Gesichter aus der AFC North: Joe Burrow, Mitchell “Mitch” Trubisky, Jacoby Brissett, Lamar Jackson (v.l.). imago images (4)
Die AFC North gilt seit vielen Jahrzehnten als beinharte Division – und sie ist es auch. Speziell in den direkten Duellen kracht es stets, hitzige Tumulte sowie die ein oder andere Rudelbildung gehören da zum “guten Ton”. Auch die jeweiligen Fanlager sind sich nicht sonderlich grün. Die Teams aus Cincinnati, Pittsburgh, Cleveland und Baltimore aber nur auf ihre Physis zu reduzieren, wäre falsch. Denn an die Moderne passen sich die vier Mannschaften auch stets an – wenngleich bei den Steelers zu gelten scheint: Defense rules!
Spannung ist also garantiert, zumal es in den letzten zehn Jahren (also seit 2012) nur den Ravens 2018 und 2019 gelungen ist, die Division zweimal am Stück zu gewinnen. Ansonsten wird immer wieder munter durchgemischt an der Spitze – nur die Browns gingen in der seit 2002 bestehenden Division stets leer aus.
In erster Linie ist klar: Die Bengals werden innerhalb der gesamten American Football Conference (AFC) die Gejagten sein, hat das Team aus Cincinnati doch einen Quantensprung zuletzt hingelegt. Aus 4:11:1 in der Regular Season 2020 samt Kreuz- und Innenbandriss beim damaligen Top-Rookie-Quarterback Joe Burrow wurde 2021 ein 10:7, der erste North-Divisionssieg seit 2015, die erste Play-off-Teilnahme seit 2015 und obendrein ein starker Lauf bis hinein in den Super Bowl. Dort aber setzte es gegen die Los Angeles Rams eine knappe Niederlage – 20:23 im SoFi Stadium nach einem späten Touchdown.
Unsere Previews bei „Icing the kicker“ gehen in die nächste Runde! Heute beschäftigen sich Kucze, Detti und kicker-Redakteur Grille mit den Teams aus der AFC und NFC North. Gibt es den Breakout von Rashod Bateman? Erreicht die Offense der Bengals mit Joe Burrow die nächste Eskalationsstufe? Stehen den Pittsburgh Steelers schwere Zeiten ins Haus? Und können in der NFC die Minnesota Vikings mit neuem Head Coach den Green Bay Packers das Wasser reichen? Diese und andere Fragen beantworten wir in der aktuellen Ausgabe! Die nächste Folge von „Icing the kicker“ gibt es am 25. August. Foto Credit: IMAGO / ZUMA Wire
Nun will das Team aus Cincy zeigen, dass das nicht nur ein Eintagsfliegen-Jahr gewesen ist. Allen voran auf Burrow lastet dabei der Druck: Der Spielmacher braucht wieder sein Top-Verbindung zu seinem früheren LSU-College-Partner Ja’Marr Chase. Zur Erinnerung: In der letzten Saison hat Burrow 34-mal Pässe über 20 Yards in die Richtung seines kongenialen Partners geworfen – 15 erfolgreich, acht Touchdowns. Zugleich wird aber spannend sein, wie sehr die Offensive Line vor dem Quarterback verbessert ist. Auch hier eine Stütze: Burrow hat 2021 stolze 51 “Sacks” kassiert, dazu volle 19 in vier Play-off-Partien. Deutlich zu viel. Ansonsten sind die Bengals gut bestückt mit Spielern wie den Wide Receivern Tee Higgins und Tyler Boyd, Running Back Joe Mixon und einer zuverlässigen Defense.
“Big Ben” Roethlisberger ist nicht mehr. Nach unglaublichen 17 NFL-Jahren samt zweier Super-Bowl-Siege zog der inzwischen 40-jährige Routinier nach dem Play-off-Aus Anfang des Jahres einen Schlussstrich – und hinterließ damit eine große Lücke. Denn auch wenn die Spuren des Alters und der vielen Verletzungen die Qualität im Passspiel und in der Bewegung des robusten Spielmachers über die letzten Jahre immer offensichtlicher wurden, so war der Anführer doch stets ein Faktor und eine zuverlässige Größe im Team.
Nun muss der von den Bills geholte und ehemalige Chicago-Bears-Hoffnungsträger Mitchell “Mitch” Trubisky den “Steel” aus dem Feuer holen und die Offense um Running Back Najee Harris oder den vielversprechenden Wide Receivern Chase Claypool, Diontae Johnson und Rookie George Pickens am Laufen halten. Der Rest dürfte sich dann von selbst ergeben, denn die Defense aus der Stahlstadt ist wie gehabt über jeden Zweifel erhaben. “Sack-Maschine” T.J. Watt und Cameron Heyward haben die Front im Griff, Linebacker Devin Bush das Halbfeld – und wenn Cornerback Ahkello Witherspoon zusammen mit Safety Minkah Fitzpatrick funktioniert, dann sollte die Steelers-Defense wieder zu den besten der Liga gehören. Und das dürfte dann auch Head Coach Mike Tomlin freuen, der seit 2007 im Amt ist und noch nie (!) eine negative Bilanz gehabt hat.
Keine Frage: In den vergangenen Monaten und dann zuletzt nochmals intensiven Wochen drehte sich bezüglich der Browns alles nur um einen Namen – den von Quarterback Deshaun Watson. Der für eine gewaltige Investition geholte 26-Jährige war über 20-mal wegen sexuellen Übergriffen angeklagt und dann nach Freispruch auf Zivilebene zunächst für sechs NFL-Spiele gesperrt worden. Die Liga selbst um Commissioner Roger Goodell schritt aber letztlich nochmals ein und dehnte die Strafe auf elf Partien aus. Klar ist: Sportlich ist Watson an sich über jeden Zweifel erhaben, hat allerdings bei seiner Rückkehr im November auch schon fast zwei Jahre nicht mehr aktiv in der NFL gespielt. Bis dahin muss Jacoby Brissett das Eisen aus dem Feuer Clevelands holen und das Team im Rennen halten.
Muss elf Spiele warten – und wird trotzdem beäugt: Browns-Quarterback Deshaun Watson. IMAGO/Icon Sportswire
Das Ziel des Franchises aus Ohio ist nichts anderes als die Rückkehr in die Play-offs, die diese Organistion in den letzten 20 Jahren nur zweimal (!) erlebt hat – 2002 und 2020. Waffen für einen Lauf bis in die Endrunde sind abseits der Quarterback-Position vorhanden. Die Offensive Line strotzt vor Qualität, das Running-Back-Duo Nick Chubb und Kareem Hunt kann jedem Gegner erheblich weh tun – und in Sachen Receiver ist in Amari Cooper von den Cowboys mächtig aufgefrischt worden. In der Defense sind da ein paar mehr Baustellen vorhanden: Zwar ist auf Edge mit Jadeveon Clowney verlängert worden, der dann zusammen mit Star-Rusher Myles Garrett Betrieb machen wird. Die Mitte und die Defensive-Tackle-Ebene ist dagegen wie zuletzt auf dem Papier anfällig.
Lamar Jackson ist den Ravens gegen Ende der letzten Saison weggebrochen, das hat dem Team von Head Coach John Harbaugh dann nicht nur die lange noch mögliche Play-off-Teilnahme ruiniert – sondern den Mannen aus Baltimore auch Platz 4 in der Division beschert. Nun ist der bärenstarke Spielmacher, der mit seinen starken Läufen und einem verbesserten Passspiel seit 2018 immer mehr Eindruck macht, zurück. Doch die Frage muss erlaubt sein: Kann “Jackson – Allein zu Haus” die Offense tragen?
Denn auf dem Papier verfügen die Ravens schon seit vergangenem Jahr über eines der schwächsten Roster in Sachen Receiving, nun hat das Franchise auch noch Marquise “Hollywood” Brown zu den Arizona Cardinals abgegeben. Gut möglich, dass deswegen vermehrt auf Fullback Patrick Ricard genauso wie auf den zuverlässigen Tight End Mark Andrews gesetzt wird. In Sachen Wide Receiver muss hier darüber hinaus vor allem Rashod Bateman mehr liefern als die schwachen 1,3 Yards pro Route in der Regular Season 2021. In Verbindung mit einer wieder gesunden und dann auch bärenstarken Defense – vor allem Secondary – und dem stärksten sowie inzwischen am besten bezahlten NFL-Kicker Justin Tucker ist aber auf jeden Fall etwas möglich. Gerade, wenn Spiele eng sind.
mag
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